ÖH-Wahlen 2009: Podiumsdiskussion der Spitzenkandidaten ("Elefantenrunde")

Gestern, am 14. Mai 2009, fand von 17:30 bis 19:30 im Hörsaal U 10 des Wiener Juridicums eine Podiumsdiskussion der Spitzenkandidaten aller bundesweit zur Wahl antretenden Fraktionen der Österreichischen Hochschülerschaft statt. Moderiert wurde die Diskussion von ORF-Mitarbeiter Armin Wolf, bekannt als Nachrichtensprecher in der "Zeit im Bild 2".

Ich war einer der ersten Zuhörer, die sich im Auditorium einfanden, nämlich um ca. 15 Uhr, als die Vorlesung gerade zu Ende gegangen war, die in diesem Hörsaal vorher stattgefunden hatte. So konnte ich miterleben, wie die "Bühne" aufgebaut, Tisch und Tafel mit ÖH-Plakaten geschmückt, Namensschilder und Mikrofone aufgestellt und die Akustik getestet wurden. Bald kamen auch Repräsentanten verschiedener "lokaler" ÖH-Fraktionen des Juridicums (AG, VSStÖ und Jes) und legten jede Menge Flyer, Broschüren und Traubenzucker auf die Pulte.

Erst kurz vor dem offiziellen Beginn strömten Massen von Studierenden den Hörsaal, der für ca. 350 Personen konzipiert war, um der Diskussion beizuwohnen. Viele bekamen keinen Sitzplatz mehr und mussten die ganzen zwei Stunden lang stehen. Ich erspähte unter den Gästen einige vertraute Gesichter, so auch Stefan Konrad, den Vorsitzenden der Österreichischen Medizinerunion.

Die Spitzenkandidaten

Die Spitzenkandidaten von acht Fraktionen waren zur Podiumsdiskussion eingeladen worden. Acht, nicht sieben, wie ursprünglich angekündigt; denn der Kommunistische StudentInnenverband hatte sich gespalten, und kurzfristig wurde entschieden, auch die Spitzenkandidatin der "anderen" kommunistischen Fraktion einzuladen.

Ursprünglich sollte Alegra-Isabel Raising von den Jungen Liberalen ganz links sitzen. Als ich dann die junge Frau sah, die ganz links Platz nahm, wunderte ich mich: Frau Raising hatte auf der Homepage ihrer Fraktion doch ganz anders ausgesehen! Erst nach einem Blick auf die Namensschilder verstand ich, was passiert war: Die Sitzplätze der JuLis und des KSV-LiLi waren vertauscht worden, diese Frau war also die Spitzenkandidatin einer der beiden kommunistischen Fraktionen. Später im Laufe der Diskussion sagte Herr Wolf, warum dieser Tausch gemacht worden war. Der Grund ist banal: Die Kommunistin wollte eben nicht unmittelbar neben dem Repräsentanten der Freiheitlichen sitzen.

Die komplette Liste der Teilnehmer lautet: Samir Al-Mobayyed von der konservativen Aktionsgemeinschaft (AG), Sigrid Maurer von den Grünen und Alternativen StudentInnen (GRAS), Manfred Menhart von den Fachschaftslisten Österreichs (FLÖ), Sophie Wollner vom Verband Sozialistischer StudentInnen Österreichs (VSStÖ), Alegra-Isabel Raising von den Jungen Liberalen (JuLis), Philipp Schrangl vom Ring Freiheitlicher Studenten (RFS), Sebastian Wisiak vom Kommunistischen Studentenverband (KSV) und Barbara Steiner von der Linken Liste (KSV-LiLi).

Nicht zur Podiumsdiskussion eingeladen war die Junge Europäische Studenteninitiative (Jes), von der jedoch einige Vertreter im Publikum saßen und sich an der Diskussion beteiligten, als das Publikum aufgerufen wurde, Fragen zu stellen.

Es geht los

Einige Minuten nach dem offiziellen Termin eröffnete Armin Wolf die Diskussion. Er selbst habe mehr ÖH-Wahlen als jeder andere ORF-Reporter miterlebt, seien von seiner Immatrikulation bis zu seiner Promotion doch schließlich 40 Semester vergangen. 1987 habe er zu studieren begonnen, 2005 sei er fertig geworden, dazwischen lagen 10 ÖH-Wahlen. Man sehe also: Auch wenn man etwas länger als die Mindeststudiendauer brauche, so könne aus einem noch etwas werden. In diesem humorvollen, jedoch nicht niveaulosen Ton führte er die ganze Debatte. Der Grund, warum es diese Podiumsdiskussion gebe, sei, dass durch sie die Wahlbeteiligung erhöht werden solle; bei den letzten Wahlen 2007 sei sie mit ca. 28 % österreichweit und ca. 25 % an der Universität Wien doch recht niedrig gewesen.

Die Diskussion leitete Herr Wolf dann mit einer Vorstellungsrunde ein, bei der jeder der Kandidatinnen und Kandidaten gefragt wurde, welche ihrer Meinung nach die drei wichtigsten Probleme seien, welche die ÖH zu lösen habe. Unisono meinte ausnahmslos jeder Kandidat, dass die geplanten Zugangsbeschränkungen zu Masterstudien und PhD sowie "versteckte" Hürden, etwa in Form von Studieneingangsphasen und Knock-out-Prüfungen, zu den größten Problemen gehörten. 

Samir Al-Mobayyed von der AG meinte außerdem, das Beihilfensystem gehöre reformiert, wobei ein "Grundstipendium", wie es der VSStÖ vorschlage, keine Lösung sei. Leider wurde in der restlichen Diskussion nicht näher auf die Gründe eingegangen, warum Al-Mobayyed gegen das Modell des VSStÖ ist. 

Manfred Menhart von den Fachschaftslisten meinte, dass neben dem Zugang zum Master und dem Beihilfensystem auch die Gleichstellung von Männern und Frauen sowie von Österreichern und Ausländern ein wichtiges Problem sei. 

Sophie Wollner vom VSStÖ, die wegen der "fehlenden Barrierefreiheit" in ihrem Studium und dem an ihrer Universität praktizierten "First-come-first-served"-Prinzip begonnen hatte, sich in der ÖH zu engagieren, meinte, besonders wichtig sei die finanzielle Absicherung im Studium, es müssten neue Konzepte für das Studienbeihilfensystem umgesetzt und die Vereinbarkeit von Studium und Beruf verbessert werden. 

Philipp Schrangl, den Herr Wolf mit den Worten "Sie sind von der Abendland-in-Christenhand-Fraktion" anredete, meinte, die Matura solle die einzige Zugangsvoraussetzung für ein Studium an einer österreichischen Hochschule sein, außerdem seien die Jungakademikerarbeitslosigkeit und das "Chaos in der ÖH" wichtige Probleme. 

Raising, deren Fraktion an der Universität Wien nicht zur Kandidatur zugelassen wurde, weil beim Einreichen eine Frist versäumt wurde, will sich für das Wahlrecht von Studierenden von außerhalb des Europäischen Wirtschaftsraums und für "bessere Studienbedingungen" einsetzen. 

Sebastian Wisiak, deren Bruder bereits ebenfalls Spitzenkandidat des KSV gewesen war, will den Kapitalismus abschaffen, den Imperalismus bekämpfen und die klassenlose Gesellschaft verwirklichen. Freilich seien dies nur die langfristigen Ziele aller Kommunisten. Innerhalb der ÖH gehe es ihm um eine direkte Mitsprache der Studenten, denn die Vertreter in den Gremien würden oft "faule Kompromisse" mit den Professoren machen, sowie um die Vereinbarkeit von Studium und Arbeit und die Jobaussichten von Jungakademikern.

Als schließlich Barbara Steiner an der Reihe war, zitierte Armin Wolf einen Satz aus einer Wahlbroschüre ihrer Fraktion: "Wir wollen die Burschenschaften auf den Mond schießen", und fragte Frau Steiner, ob KSV-LiLi angesichts solcher Forderungen nicht als "Spaßfraktion" zu betrachten sei. Frau Steiner entgegnete: Bei der politischen Arbeit Spaß zu haben, sei nichts Falsches; eine Revolution, bei der man nicht tanzen könne, sei keine Revolution. Ihr sei bewusst, dass es seltsam wirkt, dass, angesichts der Tatsache, dass die kommunistische Bewegung in Österreich keine Massenbewegung ist, sich der Kommunistische Studentenverband gespalten habe, aber es habe programmatische und politische Differenzen gegeben. Ihre Fraktion fordere Feminismus in Theorie und Praxis und lebe nach diesen Prinzipien. Allerdings habe sie auch keine Patentlösung, wie man den Kapitalismus abschaffen könne. Als wichtigste Probleme der Studierenden nannte sie die prekären Lebensbedingungen als Lebensrealitäten der Studierenden, den Druck, unbezahlte Praktika zu ergattern und soziale Netzwerke zu bilden, die Vermarktwirtschaftlichung der Lehre, der Inhalte und der Universität als Gesamtes, sowie tatsächliche und versteckte Zugangsbeschränkungen (für Personen migrantischer Herkunft und Menschen aus "bildungsfernen Schichten").

Zugangsbeschränkungen

Es seien sich also alle einig, dass man etwas gegen Zugangsbeschränkungen tun müsse, meinte Wolf. Aber was konkret wollen die Studenten tun? Mobayyed meinte: Jeder, der einen Bachelor hat, sollte auch einen Master machen können. Maurer bezeichnete die AG als "naiv" und "kindisch"; es gehe darum, Zugangsbeschränkungen auf jeder Ebene zu verhindern, und dieses Ziel ließe sich nicht durch Verhandeln erreichen. Daraufhin entgegnete Mobayyed, dass es seiner Meinung nach naiv wäre zu glauben, Demonstrieren wäre besser als Verhandeln.

Wollner vertrat die Ansicht: Egal ob die Zugangsbeschränkungen in Form eines Eignungstests, einer Knock-out-Prüfung oder einer Studieneingangsphase umgesetzt würden, handle es sich um "Diskriminierung". Es gebe in Österreich einen "Bildungstrichter": Kinder von Akademikern begännen fünfmal häufiger ein Studium als Kinder von Vätern mit Lehrabschluss. Wenn man kämpfe, aufstehe und laut sei, könne man etwas erreichen. Deswegen brauche man eine linke ÖH, die nicht nur mit dem Minister kuschelt.

Schrangl wiederum sagte, auf die Straße zu gehen und gegen die Studiengebühren zu wettern, habe nichts gebracht. Die ÖH-Fraktionen sollten vielmehr bei ihren im Nationalrat vertretenen Mutterparteien intervenieren.

Menhart, der als Vertreter der parteiunabhängigen Fachschaftslisten ja über keine "Mutterpartei" verfügt, meinte, es sei zwar gut, Studierende schon früh dazu zu motivieren, ihr Studium zu wechseln; Knock-out-Prüfungen seien dazu jedoch der falsche Weg.

Steiner, deren Fraktion von der Bundes-KPÖ unterstützt werde, will einen "breiten studentischen Widerstand". Alle hätten ein Recht auf freien Uni-Zugang und Bildung zu genießen. Interventionen im Nationalrat und Abwarten würden nicht reichen.

Wisiak meinte, alle am Podium hätten ein bisschen recht. Man müsse mit dem Wissenschaftsministerium reden, aber nur zu reden genüge nicht. Über zweihunderttausend Studierende in Österreich könnten eine "Wucht" sein, wenn man sie richtig mobilisiere. Es sollten in allen Bachelorstudien Studierendenversammlungen organisiert werden. Die ÖH-Funktionäre sollten dabei nicht wie einer auftreten, der die Weisheit mit dem Löffel gefressen habe, sondern auf die Studierenden hören.

Raising vertrat wiederum die Ansicht, Reden und diplomatische Verhandlungen seien der richtige Weg, aber die Hochschülerschaft müsse als eine "geschlossene Stimme" sprechen - woraufhin Schrangl klopfte, um seine Zustimmung zu signalisieren.

Wolf stellte die Frage in den Raum, ob also alle Fraktionen der Meinung seien, dass die Matura die einzige Zugangsbeschränkung sein sollte, abgesehen von Zusatzprüfungen aus Latein für Jus-Studenten usw. Alle am Podium nickten.

Das Publikum

Nun war das Publikum an der Reihe. Als Erster meldete sich ein Funktionär der erzkonservativen Jes. Er richtete seine Fragen an Mobayyed: Solle die ÖH Gesellschaftspolitik betreiben? Mobayyed meinte, nein. Warum gehe dann aus den Sitzungsprotokollen hervor, dass die AG bei linken Anträgen geschwiegen und somit indirekt zugestimmt habe? Mobayyed verteidigte sich mit den Worten, die AG nehme keine Stellung, werte nicht und enthalte sich daher der Stimme. Woraufhin Sigrid Maurer meinte, dass Gesellschaftspolitik nicht von Bildungspolitik zu trennen sei. Es gäbe sogar aktuell im Hörsaal viele "Rechte", auch würde viele Menschen rechter Gesinnung an Universitäten unterrichten, usw.

Schrangl merkte an, dass es eine "große geschlossene Gegenfraktion" geben müsse, damit nicht nur "Randgruppenpolitik" betrieben, sondern eine ÖH für alle Studenten geboten werde.

Als Nächster meldete sich ein älterer Herr zu Wort, der einen ÖH-kritischen Artikel aus der Tageszeitung "Die Presse" vorlesen wollte. Armin Wolf unterbrach ihn und meinte, dass dieser Text nicht im Rahmen dieser Veranstaltung vorgelesen werden dürfe; es ginge darum, Fragen zu stellen.

Einem jungen Mann mit weißem Polohemd wurde nun das Wort erteilt. Dieser meinte, er könne sich denken, warum die Wahlbeteiligung so niedrig sei: Immerhin sei kein einziger Kandidat im Podium in der Lage, einen einzigen korrekten deutschen Satz zu formulieren! Der freiheitliche Kandidat grinste, und Armin Wolf merkte an, der junge Mann sei offenbar selbst nicht zu dem in der Lage, was er an den Anderen kritisiert.

Soziale Absicherung

Die nächste Frage betraf das Problem, die soziale Absicherung der Studierenden zu verbessern. Wie solle dies erreicht werden? 

Wisiak meinte, das verschulte System müsse zurückgedrängt werden, damit Studierende wieder mehr Zeit haben, arbeiten zu gehen.

Wollner attestierte, der Kontostand der Eltern bestimme den Bildungsstand der Kinder. Es sei genug Geld da, dieses sei bloß falsch verteilt. Die Studiengebühren sollten für alle Studierenden abgeschafft werden. Außerdem sei ein Grundstipendium für alle einzuführen, das durch die Vermögenssteuer finanziert werden solle.

Mobayyed bekundete Zufriedenheit mit dem aktuellen Studienbeihilfesystem, es gebe aber Reformbedarf: Es müsse eine jährliche Indexabgleichung geben. Außerdem müsse die Zahl der Toleranzsemester an die neue Studienarchitektur angepasst werden, und es dürfe keine Unterschiede zwischen Inländern und Ausländern geben.

Maurer merkte an, nur 18 % der Studierenden bekämen ein Stipendium, was im internationalen Vergleich zu wenig sei. Früher sei die Mindestzeit, wie der Name sagt, die Zeit gewesen, die man mit dem Studieren mindestens verbringen musste; wenn man schneller gewesen sei, habe man warten müssen. Jetzt sei es die Regelstudiendauer, die von den Arbeitgeber erwartet werde.

Menhart vertrat die Auffassung, die Studiengebühren solten gänzlich abgeschafft werden, um soziale Gerechtigkeit zu erreichen. Außerdem dürfe es keine Altersgrenze geben, der Cut mit 26/27 dürfe nicht so hart sein.

Raising will eine unbürokratischere Studienbeihilfe und eine Indexanpassung. Die Zuverdienstgrenzen sollen angehoben werden. Man müsse die Vereinbarkeit von Job und Studium herstellen und gegen die Verschulung ankämpfen. Es müsse auch möglich sein, abends und am Wochenende Kurse zu belegen.

Schrangl forderte, dass auch Studiengebühren für das Zweitstudium abgeschafft werden sollen, wogegen die SPÖ sei. Unter dem Motto "Schluss mit dem Beihilfedschungel" meinte er, dass jeder, dem eine Behilfe zustehe, sie automatisch bekommen solle. Es sollte mehr Geld für Stipendien statt für E-Voting ausgegeben werden. Schrangl habe kein Problem damit, wenn "Bummelstudenten" 10 % der Kosten ihres Studiums zahlen müssten. Außerdem seien die Freiheitlichen Freunde der Autonomie; die Unis sollten die Höhe der Studiengebühren selbst festlegen können.

Raising sprach sich in diesem Zusammenhang für ein "nachgelagertes System der Studiengebühren wie in Kanada" aus. Die Studiengebühren sollen erst nach der Graduierung gezahlt werden, anteilig am Einkommen.

Demos, Pflichtmitgliedschaft und Ökonomisierung der Bildung

Nun meldete sich ein Student aus dem Publikum und machte darauf aufmerksam, dass zur aktuellen Stunde in Wien zwei Demonstrationen stattfänden, eine Demo gegen den Bau eines islamischen Kulturzentrums und eine Demo gegen diese Demo. Zu welcher Demo würden die Spitzenkandidaten gehen?

Fast alle meinten: zur Gegendemo. Einzig Schrangl würde zu keiner der beiden Demos gehen, weil sie nichts mit Studierenden-Themen zu tun hätten.

Die nächste Frage betraf die Pflichtmitgliedschaft in der ÖH. Die Vertreter aller Fraktionen bis auf Liberale und Freiheitliche sprachen sich für diese Pflichtmitgliedschaft aus. Liberale und Freiheitliche argumentierten hingegen, dass eine ÖH ohne "Zwangsmitgliedschaft" effizienter arbeiten würde. Steiner meinte als Reaktion auf das Statement der Liberalen, eine Freiwilligen-ÖH würde sich "ständig im Wahlkampf" befinden, und das wäre nicht gut.

Den beabsichtigten CERN-Ausstieg Österreichs fanden alle Kandidaten schlecht.

Die nächste Frage betraf die "Ökonomisierung der Bildung". Wollner meldete sich als Erste zu Wort. Sie vertrat die Auffassung, dass Bildung ein öffentliches und allgemeines Gut sei. 

Menhart meinte, dass die Lehre einen hohen Stellenwert haben sollte, denn nur wenn künftige Forscher gut ausgebildet werden, könne in Zukunft weiterhin gute Leistung erbracht werden.

Raising sagte, es werde zu wenig Geld für Bildung ausgegeben, und dies müsse sich ändern.

Schrangl erklärte, zwar würden bestimmte Studienrichtungen und die Elite-Uni in Maria Gugging gefördert werden, die normale Universität würde aber ausgedünnt, und forderte mehr Geld für alle Unis; auch "Orchideenstudien" müssten ihre Plätze haben.

Wisiak meinte, es werde genau das gefördert, was wirtschaftlich am besten verwertbar sei, und es gebe eine Tendenz zur Elitenbildung.

Steiner kritisierte die Abhängigkeit der Universitäten von Drittmitteln. Wenn man Konzerne an die Uni hole, würden auch die Inhalte von der Wirtschaft bestimmt werden. Dies könne nicht das Ideal einer "freien, unabhängigen, kritischen" Universität sein.

Mobayyed vertrat hingegen die Auffassung, dass es gut sei, dass sich die Unis an die Wirtschaft anpassten, damit die Absolventen nicht komplett verfehlt ausgebildet würden. Im Senat passiere die einzig wirklich demokratische Mitbestimmung, der Senat müsse daher weiter stark bleiben. Der Uni-Rat solle nur ein Aufsichtsorgan bleiben, und das Rektorat solle keine Kompetenzen des Senats bekommen.

Maurer schließlich bekundete, die Unis sollten Bildung liefern, nicht Ausbildung. Bildung sei ein Recht, nicht ein Privileg. Leider gebe es innerhalb der EU einen "neoliberalen Schwung", der die Implementierung von Studiengebühren, Sponsoring der Unis und die direkte Vermarktung von Forschungsergebnissen fordere.

Fachhochschulen

Ein Fachhochschul-Student meldete sich zu Wort. In der ganzen Diskussion seien die Worte Fachhochschule und Pädagogische Hochschule bisher nicht gefallen. Wie gedenke die ÖH, mit diesen "Stiefkindern" in den nächsten zwei Jahren umzugehen?

Steiner sagte dazu, wer gegen die Verschulung der Unis sei, müsse nicht unbedingt gegen die FHs sein. Dass es an den FHs einen Stundenplan gebe, sei schon gut. Man könne auch als FH-Student nebenbei arbeiten. Der Bachelor sei jedoch der Ausgangspunkt für das "akademische Prekariat".

Wisiak meinte, auch FH-Studenten sollten keine Studiengebühren bezahlen müssen. Die FHs würden künftig viel mehr Mitsprache bekommen, weil ihre Vertreter direkt gewählt werden und daher die Probleme der Studierenden viel besser kennen als die Fraktionen an den Unis.

Wollner verwies auf Probleme im Prüfungs- und Studierendenrecht. Es müsse bessere Rechte für alle Studierenden geben, auch an den Fachhochschulen. Es sei ungerecht, dass FH-Studierende auch weiterhin Studiengebühren zahlen müssen. Es solle eine gute Durchlässigkeit zwischen Bachelor und Master sowie zwischen FH und Uni geben.

Mobayyed preiste sich, das Serviceangebot der ÖH FH-tauglich gemacht zu haben; es gebe nun ein eigenes Referat für FH-Angelegenheiten, das auf die Bedürfnisse der FH-Studenten noch besser eingehen werde. Außerdem solle es ein einheitliches ÖH-Gesetz geben, das auch für die Studierendenvertretung an den Fachhochschulen gelten sollte.

Menhart meinte, viele Probleme würden sowohl Uni- als auch FH-Studenten in gleichem Ausmaß betreffen.

Raising sprach sich für die Vernetzung von Unis und FHs aus. Die studentische Mitbestimmung an den FHs solle gestärkt werden. Außerdem forderte sie eine Abschaffung der Studiengebühren, Durchlässigkeit und wechselseitige Anerkennung von Prüfungen und Abschlüssen von Uni und FH.

Schrangl will die ÖH zu einer Interessensvertretung für alle "leistungsbereiten" Studenten machen. Das Ziel sei es, bestausgebildet den Berufseinstieg zu schaffen.

Sexarbeiterinnen

Eine Studentin fragte nach, warum die ÖH der Uni Wien Geld für eine Ausstellung über "Sexarbeiterinnen" ausgegeben habe. Wollner meinte, sie wisse nicht, welche Ausstellung gemeint sei. Die ÖH der Uni Wien habe vor kurzem eine Ausstellung von Hendrik Mandelbaum, einem Auschwitz-Überlebenden, organisiert. Sie halte solche Aktionen für gut, weil es wichtig sei, dass Studierende "antifaschistische" Arbeit leisteten.

Mobayyed konnte sich im Gegensatz zu Wollner an die "Sexarbeiterinnen-Ausstellung" erinnern. Diese sei von GRAS, VSStÖ und KSV beschlossen worden. Er selbst sehe es nicht als Pflicht oder Aufgabe der ÖH an, so etwas zu unterstützen.

Das nächste Thema war E-Voting. Bis auf den Vertreter der AG sprachen sich alle Fraktionen gegen das E-Voting aus. Schrangl meinte etwa, er sei für die Papierwahl, weil die Freiheitlichen das "freie, geheime und persönliche" Wahlrecht in Gefahr sehen. Die Liberalen seien zwar laut Raising prinzipiell Innovation und Forschung nicht verschlossen, aber derzeit sei es machbar, diese Wahl durch eingesetzte Chips zu manipulieren und nachzuvollziehen, wer welche Partei gewählt habe. Maurer von den GRAS erklärte sogar, dass die GRAS die Wahl wegen des E-Votings anfechten werden, egal welches Ergebnis bei der Wahl herauskommen werde. Einzig Mobayyed blieb neutral und meinte, die Studierenden sollten selbst entscheiden, ob sie E-Voting nützen wollen oder nicht.

Wer mit wem?

Die letzte Frage, die Wolf der Runde stellte, war die Koalitionsfrage: Wer mit wem?

Steiner: Mit GRAS und VSStÖ.

Mit Schrangl will niemand koalieren. Da der RFS derzeit nur einen einzigen Mandatar stellt, zweifelte Wolf seine Fähigkeit an, etwas zu bewirken. Schrangl meinte dazu, der RFS wolle nach außen tragen, was da drinnen passiere. Bei sachlichen Diskussionen wolle man seine Meinung einbringen und "zum Wohle aller Studenten" mitarbeiten.

Raising meinte, am liebsten mit der AG. Mit ihr könne man am diplomatischsten diskutieren, während es bei anderen Fraktionen persönliche Empfindlichkeiten gebe.

Wisiak erinnerte daran, dass kurioserweise der Mandatar der Liberalen in der ÖH-Bundesvertretung vor einem Jahr ihn, den Kommunisten, als ÖH-Vorsitzenden vorgeschlagen habe. Mit dem RFS wolle er sicher nicht koalieren. Die FLÖ komme in Frage. GRAS, VSStÖ und AG seien sehr stark an ihren Mutterparteien orientiert und tragen den Fraktionskampf aus dem Parlament in die ÖH.

Wollner meinte, ihr Ziel sei es, eine "linke und kämpferische" Exekutive in der ÖH zu stellen, was mit den GRAS gut möglich sei. Die FLÖ werde nicht prinzipiell abgelehnt, es komme darauf an, wie sich das Ganze entwickle. Im Gegensatz zur AG schaffe es der VSStÖ, Service und Politik zu verbinden. Der RFS sei indiskutabel. Auf Wolfs Frage, ob eine "große Koalition" mit der AG denkbar sei, meinte Wollner "nein".

Menhart, den Wolf einen "unsicheren Kantonist" nannte, schloss eine Zusammenarbeit mit dem RFS aus. Gegenüber allen anderen Fraktionen sei man aufgeschlossen. Man warte das Wahlergebnis ab. 

Maurer sagte, eine Zusammenarbeit mit dem RFS sei vollkommen ausgeschlossen, und dasselbe gelte für die AG, weil diese an der Einführung der Studiengebühren, der Abschaffung der ÖH-Direktwahl und dem E-Voting beteiligt gewesen sei. Die ÖH sei kein Copyshop, sie habe mehr Aufgaben, und das könne man mit der AG ganz sicher nicht umsetzen.

Mobayyed schließlich erklärte, er sei zur Koalition mit Fraktionen bereit, denen es um "die Sachen" gehe. In den meisten Bundesländern gebe es AG-VSStÖ- oder AG-GRAS-Koalitionen. Aufgaben der ÖH seien Service und Interessensvertretung. Eine Koalition sei mit FLÖ, GRAS, VSStÖ und JuLis vorstellbar.

Schluss

Nach der Uhr meines Netbooks war es 19:32, als die Diskussion endete. Rasch leerte sich der Hörsaal. Auch ich ging nach Hause.

Um 22:00 wurde ein kurzer Ausschnitt der Diskussion in der ZiB 2 gezeigt. Es wurde außerdem angekündigt, dass es auf der Homepage der Bundes-ÖH (http://oeh.ac.at/) ein komplettes Video zum Download geben werde. Bis dato ist dort allerdings nichts zu finden.

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