Mein Weg zur Medizin

Wie kam es überhaupt dazu, dass ich Medizin studiert habe?

Im Prinzip sind meine Eltern daran schuld. Mein Vater wollte selbst Medizin studieren, durfte es aber seinerzeit nicht, obwohl er mit Auszeichnung maturiert hatte. Und meine Mutter träumte, wie viele Mütter, davon, dass ihr Sohn dereinst Arzt sein würde. So behielt ich während meiner ganzen Schulzeit im Hinterkopf, dass ich nach der Matura Medizin studieren würde. Ich akzeptierte das; es führte freilich aber nicht dazu, dass ich mich während meiner Schulzeit besonders für Biologie interessiert oder übermäßig viele Zeitschriftenartikel über medizinische Themen gelesen hätte. Mich interessierten in erster Linie Computer, vor allem Spiele und deren Entwicklung. Von meinem 9. bis zu meinem 15. Lebensjahr verbrachte ich viel Zeit damit, mir Praxis im Programmieren anzueignen. Danach widmete ich mich voll und ganz der redaktionellen Arbeit an meiner elektronischen Zeitschrift, die viel Zeit in Anspruch nahm.

Die meisten Lehrer wussten von meinem Interesse an Computern (freilich ohne genau informiert zu sein, was ich mit Computern so machte). Manche wussten auch, dass angedacht worden war, dass ich später Medizin studieren würde. Insgesamt zwei Jahre lang - ein Jahr lang in Chemie und ein Jahr lang in Biologie - hatte ich eine Lehrerin, deren Tochter selbst Medizin studiert hatte und die offenbar von der Idee, dass ich - dem sie schon im achten Schuljahr ein "universitäres Hirn" attestiert hatte - Medizin studieren würde, sehr angetan war. Aber weder sie noch andere Lehrer, die von meinem Vorhaben, Medizin zu studieren, wussten, kamen jemals auf die Idee, mit mir über meine Motivation für dieses Studium zu sprechen. Denn tatsächlich hatte mich die Medizin nie interessiert, und ich verfügte vor meinem Studium auch nur über ein sehr bescheidenes Wissen über dieses Fach. Das stand in großem Kontrast zur Informatik - davon verstand ich mehr als mein Informatiklehrer. Ich verfügte bereits vor dem Informatikstudium nicht nur über Programmierpraxis (was ja letzten Endes doch das Wichtigste ist), sondern auch über Kenntnisse der theoretischen Informatik. Vor allem hatte ich einen guten Überblick über die Inhalte des Informatikstudiums und wusste Bescheid, was mich erwarten würde. Vom Medizinstudium kannte ich hingegen nur die Namen der Prüfungsfächer, die mich noch dazu wenig begeisterten - vor allem von Anatomie, Pathologie, Chirurgie und ähnlichen, eher morphologisch orientierten Fächern erwartete ich mir viel Lernarbeit ohne echten Erkenntnisgewinn, weil es in diesen Fächern ja nicht um Verständnis, sondern nur um reines Faktenwissen geht.

So kam es, dass ich, je näher die Matura kam, umso mehr am Vorhaben meiner Eltern, mich Medizin studieren zu lassen, zweifelte. Würde ein Informatikstudium nicht eher meinen eigenen Interessen und Fähigkeiten entsprechen? Schließlich entschied ich mich: Ich würde nach der Matura Informatik studieren. Das sagte ich auch dem Direktor der Schule, als er mich bei der Zeugnisüberreichung nach meinen Zukunftsplänen fragte.

Aber es kam anders. Schuld daran ist, dass ich nach der Maturareise eine mehrere Monate lang andauernde depressive Phase hatte, in der ich an meinen Fähigkeiten zweifelte. Ich warf mir vor, mich in den letzten Jahren zu sehr auf redaktionelle Arbeiten beschränkt und zu wenig Programmiererfahrung gesammelt zu haben. Daher vermutete ich, im Studium vor allem gegenüber HTL-Absolventen im Nachteil zu sein. Diese Befürchtungen sollten sich letzten Endes zwar als substanzlos herausstellen, aber damals wusste ich es eben nicht besser. Jedenfalls ließ ich mich dann von meinen Eltern überreden, Medizin zu inskribieren. Widerstandslos ging ich zur Uni und schrieb mich ein. Zwar gab es jede Menge "rationaler" Gründe, die für ein Medizinstudium sprachen. Dennoch war meine Entscheidung nicht auf das sorgfältige Abwägen von Argumenten und Gegenargumenten gegründet, sondern es handelte sich im Prinzip um das Aufgeben meiner Selbst als Persönlichkeit.

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