"Genderwahn"

Konservativere Fraktionen der Österreichischen Hochschülerschaft (ÖH) kritisieren gelegentlich den so genannten "Genderwahn", nämlich das Bestehen mancher Professorinnen und Professoren darauf, schriftliche Arbeiten geschlechtsneutral zu verfassen. In diesem Zusammenhang wäre beispielsweise auch die von mir verwendete Bezeichnung der ÖH als "Österreichische Hochschülerschaft" falsch, richtig wäre "Österreichische HochschülerInnenschaft". Angeblich hätte ich für diesen Fauxpas an manchen Fakultäten (hier habe ich ausnahmsweise gegen keine Regel verstoßen, Fakultätinnen gibt es nämlich nicht) schon eine schlechtere Note kassiert, selbst wenn mein Aufsatz inhaltlich und orthographisch perfekt gewesen wäre.

In meinem Studium hat das alles jedenfalls keine Rolle gespielt. Im Medizinstudium musste man keine Aufsätze schreiben, und auch im Informatikstudium kam man selten in die Situation, sich fragen zu müssen, ob man nun "Studenten" oder "Studierende" schreiben sollte, weil die meisten der zu verfassenden Aufsätze technischer Natur waren. Es mag sein, dass vielleicht in speziellen Seminaren zu Themen wie Techniksoziologie auf gendergerechte Sprache Wert gelegt worden wäre; diese Lehrveranstaltungen habe ich aber nicht besucht, weil mich andere Bereiche der Informatik mehr interessiert haben.

Soweit ich weiß, sind manche Lehrende an der Medizinischen Universität Wien Frauen gegenüber, im Gegenteil, sogar recht kritisch eingestellt. Eine junge Professorin hat mir beispielsweise erzählt: Als sie selbst noch Studentin war, bekam sie bei ihrer Prüfung über Funktionelle Pathologie die Frage gestellt, was denn für das "Superfemale"-Syndrom besonders charakteristisch sei. Sie zählte einige Merkmale auf, nannte jedoch nicht das, was der Professor hören wollte. Also gab er ihr einen Tipp: Es sei etwas typisch Weibliches. Als sie noch immer nicht wusste, worauf er hinauswollte, beantwortete der Professor die Frage selbst: "Na, ganz einfach: das halbe Hirn!"

Ob sich die Geschlechterforschung und damit verbundene Ideologien, wie die so genannte "queer theory", durchsetzen werden, wage ich nicht zu beurteilen. Vielleicht wird man irgendwann einmal schon in der Schule konsequent die Binnenmajuskel verwenden müssen. Zu meiner Zeit war das jedenfalls noch nicht so; die Verwendung der Binnenmajuskel wäre wohl als schwerer Grammatikfehler betrachtet werden. Und das, obwohl wir im Fach Deutsch eine weibliche Lehrperson hatten. Aber wer weiß - the times, they are a-changin', wie schon Bob Dylan sang.

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