Gespräch mit Renee Schroeder

Auf der Homepage der Zeitschrift "profil" befindet sich ein Interview mit der Molekularbiologin Renée Schroeder. Darin äußert sie sich kritisch über Religion und Religiosität.

Diese erfrischend unkonventionellen Ansichten für eine österreichische Forscherin, in einem Land, wo viele Posten an Unis durch erzkonservativ-katholische CV-Mitglieder besetzt sind, waren wohltuend zu lesen. Man muss aber beachten, dass Frau Schroeder vor allem ein "Darling" der politisch eher links orientierten Medien ist, während sie selbst in der wissenschaftlichen Landschaft, zum Teil sicher aus gleichermaßen politischen Gründen, einen schweren Stand hat. So war ja vor einigen Jahren davon zu lesen, dass ihr die ordentliche Professur trotz ihrer Prominenz und ihrer Leistungen (vom Österreichischen Klub der Bildungs- und Wissenschaftsjournalisten wurde sie einst zur "Wissenschaftlerin des Jahres" gewählt) lange Zeit verweigert wurde; erst 2006 hat sie es endlich geschafft.

Kritisch muss ich aber ihre Aussage über die Studenten kommentieren, die dreimal bei derselben Prüfung durchfallen, sich dennoch durchquälen und nach 10 Jahren (also nach weit längerer Zeit als im Studienplan vorgesehen) schließlich fertig werden: Viele der wirklich "schlechten" Studenten fallen noch mehr als nur dreimal bei derselben Prüfung durch und sind dadurch gezwungen, ihr Studium abzubrechen, weil sie alle zulässigen Antritte ausgeschöpft haben. Unter denen, die 10 Jahre oder noch länger studiert haben und letztlich fertig geworden sind, gibt es auch durchaus gute Studenten mit einem passablen Notendurchschnitt, die bei keiner Prüfung je dreimal (ja in vielen Fällen nicht einmal zweimal) durchgefallen sind. Man darf also auf keinen Fall aus Frau Schroeders Aussage den Umkehrschluss ziehen, dass alle, die lange studiert hätten, derart schlechte Studenten gewesen wären. Zudem muss man bedenken, dass die Studiendauer auch mit dem Studienfach zusammenhängt.

Eine Person A, die es einer Person B zum Vorwurf macht, zu lange studiert zu haben, ist in den meisten Fällen als nicht Recht habend zu betrachten. Mediziner machen ihren Fachkollegen höchst selten solche Vorwürfe, weil sie genau wissen, wie viele verschiedene Gründe es gibt, warum jemand länger als vorgesehen studiert haben kann. Außerdem ist jemand, der relativ schnell studiert hat, fachlich nicht unbedingt besser qualifiziert als einer, der sich länger (und womöglich gründlicher) mit der Materie beschäftigt hat.

Hier in Österreich gibt es auch keine "Regelzeit" beim Studieren, sondern eine "Mindeststudiendauer". "Mindeststudiendauer" bedeutet, dass es theoretisch möglich sein muss, das Studium innerhalb dieses Zeitrahmens zu absolvieren; das stellt eine Verpflichtung für die Universität dar, die erforderlichen Lehrveranstaltungen über diesen Zeitraum anzubieten, aber keine Verpflichtung für die Studierenden. "Mindeststudiendauer" heißt nicht, dass man nicht länger brauchen darf. Es ist bedenklich, wenn manche Unternehmen von Bewerbern erwarten, ihr Studium in dieser "Mindeststudiendauer" absolviert zu haben.

Link: http://www.profil.at/articles/1329/560/362457/renee-schroeder-es-tabus

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