Über Genetik

In der Vereinszeitschrift von Mensa Österreich, der DISKUSSION, gab es ab Ausgabe 281 eine Debatte zu den Themen Genetik und Gentechnik, angeregt von Dr. Theresia Adelberger, der damaligen "Schriftleiterin" der DISKUSSION. Dadurch, dass diese alten Ausgaben der Vereinszeitschrift, die noch vor meiner eigenen Zeit als Mensa-Mitglied erschienen sind, nun elektronisch erfasst und allen Mensa-Mitgliedern via Internet zur Verfügung gestellt worden sind, besteht jetzt die Möglichkeit, diese alten Ausgaben zu lesen und über die auch heute noch relevanten Artikel, wie etwa die Beiträge über Genetik, zu diskutieren.

Frau Dr. Adelbergers Eingangsstatement in Ausgabe 282 zeugt leider von einer gewissen Naivität, wenn sie behauptet, genetische Diagnostik alleine sei völlig harmlos und lediglich Eingriffe ins Erbgut seien problematisch. Dies ist falsch: Durch genetische Diagnostik können besonders intime Informationen über Personen erfasst werden, einschließlich solcher Dinge, über die diese Personen selbst nicht Bescheid wissen, wie die Abstammung von bestimmten Volksgruppen oder die Prädisposition für bestimmte Erbkrankheiten. Dieses Wissen kann missbraucht werden, etwa von Versicherungen, die Personen mit bestimmten genetischen Prädispositionen ausschließen oder von ihnen erhöhte Prämien verlangen könnten.

Das Statement von Günther Kreil in Ausgabe 282 bezieht sich eher auf die "grüne Gentechnik", also die landwirtschaftliche Nutzung der Gentechnik. Diese interessiert mich persönlich weniger, mich interessieren in erster Linie medizinische Anwendungen. Hierzu schreibt Mag. Alexander Frey in seiner Stellungnahme in der gleichen Ausgabe:

(Zitat Beginn)

"Gentechnik in der Medizin:

Dieser Bereich steht Gott sei Dank auch bei Genetikgegnern weitgehend außer Diskussion. Lediglich ein paar Horrorgeschichten über 'Frankensteine im weißen Kittel', die Schweine mit Menschenlebern züchten und dergleichen, sind in Umlauf. Informiert man sich aber näher, so erscheinen auch diese Arbeiten in anderem Licht. Um den Mangel an menschlichen Spenderorganen zu beseitigen, versucht man Tieren menschliche Gene, die für die Immunreaktion bedeutend sind, einzusetzen. Das Schwein hat dann eine Leber mit menschlichen Immunitätsmerkmalen und diese kann gefahrlos verpflanzt werden ohne vom menschlichen Immunsystem abgestoßen zu werden. So können viele Leben gerettet werden.

Auch die Erbkrankheiten können durch Gentechnik besser diagnostiziert und vielleicht sogar geheilt werden, eine Revolution in der Medizin.

Gentechnisch manipulierte Bakterien produzieren wertvolle und künstlich nicht herstellbare Medikamente, wie Insulin, Blutgerinnungsfaktoren, Wachstumsfaktoren, etc. in großen Mengen zu geringen Kosten. Die früher zum Beispiel aus Blut gewonnenen Blutgerinnungsfaktoren bergen auch nicht mehr die Gefahr einer Infektion des Empfängers mit Aids, Hepatitis o.ä.

Außerdem wird künstlich hergestelltes menschliches Insulin besser vertragen, als Insulin aus Rinder- oder Schweineschlachtkörpern, das früher verwendet wurde.

Kein vernünftiger Mensch kann gegen Gentechnik in der Medizin eintreten."

(Zitat Ende)

Das ist ein sehr optimistisches Statement, das leider nicht zutrifft. Tatsächlich haben viele etwas gerade auch gegen Gentechnik in der Medizin. Erstens ist es, wie gesagt, problematisch, genetische Daten zu erheben, sind sie doch intimer als jegliche andere Art von persönlichen Daten. Und zweitens gehören zu den medizinischen Anwendungen der Gentechnik eben auch Dinge wie Eingriffe ins menschliche Erbgut (Keimbahntherapie), die zwar sehr effektiv wären, wenn sie in der Praxis umgesetzt werden könnten (man könnte damit Erbkrankheiten heilen, die bislang als unheilbar gelten), aber eben aus ethischen Gründen sehr umstritten sind (oft hört man den Vorwurf, solche Genetiker würden "Gott spielen"). Gleiches gilt auch für therapeutisches oder reproduktives Klonen.

In Ausgabe 284 findet sich ein weiterer Diskussionsbeitrag, diesmal von Brigitte Kunz. Die Autorin meint vor allem, dass Gentechnik sehr teuer und unsicher sei, man gewisse Eingriffe aus stochastischen Gründen mehrmals wiederholen müsse, bis sie tatsächlich die gewünschte Wirkung zeigen, und zudem die Leistungsfähigkeit eines Organismus nur in Teilaspekten gesteigert werden könne, auf Kosten anderer Teilaspekte. Darauf antwortet Alexander Frey in Ausgabe 285, seine Antwort bezieht sich aber vorwiegend auf die grüne Gentechnik und ist daher für mich nicht von Interesse. Ebenso die Reaktion von Brigitte Kunz und Viktor Farkas (wobei nicht klar ist, wer eigentlich der Autor ist) in Ausgabe 286 und die Folgeartikel in Ausgabe 287.

Danach verschwand das Thema Genetik aus der DISKUSSION. Ab Ausgabe 289 wurden wieder eher politische Themen, wie die Reaktionen des Auslands auf die Bildung der schwarz-blauen Bundesregierung und die Europäische Union, behandelt.

Erst in Ausgabe 301 findet sich wieder ein Artikel zum Thema. Alexander Platzer schlägt darin vor, sämtliche Gene aller Menschen zu katalogisieren, um irgendwann künstlich Menschen mit beliebigen Erbanlagen herstellen zu können. Das kommt schon dem näher, was mir selbst vorschwebt.

Was ich mir persönlich wünschte, wäre, dass Eltern mit Erbkrankheiten oder sonstigen nachteiligen Merkmalen gesunde, ihren eigenen Idealvorstellungen entsprechende Kinder bekommen könnten. Dies könnte beispielsweise durch die Keimbahntherapie erreicht werden. Derzeit sind viele Menschen von ihrem Traum, Eltern zu werden, praktisch ausgeschlossen, weil sie um das Risiko Bescheid wissen, dass bestimmte Krankheiten an ihre Kinder weitergegeben werden könnten, und sich als verantwortungsbewusste Menschen daher gegen die Reproduktion entscheiden. Diesen Missstand möchte ich beseitigen. Ich möchte jedem die Möglichkeit geben, Vater oder Mutter zu werden und sich keine Sorgen über eine Weitergabe unvorteilhafter Merkmale machen zu müssen. Anders gesagt, möchte ich die brutalen Selektions-Mechanismen der Evolution, die ja auch in der Menschheit wirken und manchen Zeitgenossen das Leben zur Hölle machen, aushebeln. Es geht mir schlicht und ergreifend um die Überwindung der Evolution, um das Leben für alle lebenswerter zu machen.

Was ist an diesem Ziel verwerflich? Ich lade gerne jeden Interessierten zur Diskussion ein.

Claus-Dieter Volko, Dr. med.

Factbox:

Unter Keimbahntherapie versteht man den Eingriff in das menschliche Erbgut durch Modifikation der Keimzellen (Samenzellen, Eizellen). Die Keimbahntherapie wird vor der Schwangerschaft im Rahmen einer künstlichen Befruchtung durchgeführt. Das Genom der befruchteten Eizelle wird untersucht, und gegebenenfalls werden Gendefekte mit Hilfe von viralen Vektoren korrigiert. Danach wird die Eizelle in die Mutter implantiert, und es kommt zu einer normalen Schwangerschaft. Das Kind wird genetisch von seinen Eltern abstammen, aber ohne die entfernten Erbkrankheiten geboren.

Ob jemand an einem genetischen Defekt leidet, weiß man entweder aufgrund seiner Familiengeschichte, oder man kann bei konkretem Verdacht einen spezifischen Gentest durchführen. Dazu geht man in der Regel zu einem Facharzt für Humangenetik. In Wien gibt es eine genetische Beratungsstelle am Institut für Medizinische Genetik der Medizinischen Universität (Währinger Straße), dort sind mehrere Fachärzte für Humangenetik (in Österreich: Fachärzte für Medizinische Genetik) tätig.

Bei der Keimbahntherapie geht es nicht um die Feststellung von genetischen Defekten während der Schwangerschaft und einen nachfolgenden Schwangerschaftsabbruch, sondern um eine Erkennung und Korrektur der genetischen Defekte vor der Schwangerschaft.

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