Bildung wird überschätzt

So, und jetzt kommt ein Blogartikel, der vielleicht in eine etwas andere Richtung geht als die meisten davor:

Jahrelang habe ich so getan, als würde ich dieses System (in erster Linie meine ich das Bildungssystem) unterstützen und es für gut finden. Das war in Wirklichkeit nur eine gut geschauspielerte und mit viel Ausdauer durchgehaltene Tarnung. Denn ich war der Meinung, dass es besser ist, so zu tun, als würde man mitspielen, als gleich offen zu rebellieren, wie es viele tun. Die offenen Rebellen schießen sich nämlich selbst ins Out. Wenn man wirklich etwas ändern will, dann ist es am besten, wenn man selbst im System hochkommt und dann, an der Spitze angekommen, das System niederreißt.

Mich haben die meisten Lehrer einfach für einen guten Schüler gehalten, ich war "der besonders Gescheite". Warum ich in der Schule so gut war, konnten sie sich nicht erklären; manche dachten, ich würde daheim ständig lernen.

Was ich in meiner Freizeit wirklich gemacht habe, haben nur wenige derjenigen gewusst, die mit mir in der Schule zu tun hatten.

Ich fand viele Dinge in meiner Bildungslaufbahn unnötig. In der Schule habe ich gerade einmal Englisch gelernt - das war das einzige Fach, das ich mir nicht so leicht selbst hätte beibringen können, zumindest nicht auf diesem Niveau. Alles Andere habe ich entweder schon vorher gekonnt, oder es war uninteressant und ich habe nur für die Prüfungen gelernt und den Stoff nachher gleich wieder vergessen.

Das Studium war sehr mühsam, aber ich sah es als eine Notwendigkeit an, um den Status eines Akademikers zu erreichen, weil viele Menschen eher auf Status achten als darauf, ob das, was jemand sagt, logisch ist - das hängt damit zusammen, dass sie selbst nicht logisch denken und die Richtigkeit einer Aussage deswegen nicht beurteilen können. Es gibt im übrigen auch Menschen mit hohem IQ, die nicht logisch denken können - das logische Denkvermögen wird von den meisten IQ-Tests nicht ausreichend berücksichtigt.

Jetzt habe ich meinen Doktortitel und kann nun mit Fug und Recht das ganze Bildungswesen in diesem Land kritisieren. Denn jetzt kann mir niemand zum Vorwurf machen, dass ich nur deswegen Kritik ausüben würde, weil ich selbst zu blöd wäre, um im System zurechtzukommen.

Das Bildungswesen nimmt den Kindern mehr Freiheiten, als sie ihnen gibt. Kinder sind häufig wesentlich intelligenter, als sich Erwachsene es vorstellen. Sie brauchen nicht in diesem Maße bevormundet werden, wie dies derzeit geschieht.

Dass Erwachsene glauben, Kindern fehle es an Verstand, liegt oft daran, dass Erwachsene ja das Bildungssystem durchlaufen haben und nun glauben, sie hätten im Laufe dieser Jahre Wesentliches gelernt, dessen Kenntnis den Kindern fehlen würde. Das ist aber nicht der Fall. Das Bildungssystem ist sehr ineffizient; das, was wirklich wichtig ist, könnte man auch in viel kürzerer Zeit erlernen. Ein sechsjähriges Kind ist nicht viel dümmer als ein achtzehnjähriger Maturant. Bildung wird überschätzt.

Schulen dienen vor allem als Aufbewahrungsstätten, weil die Eltern arbeiten müssen und glauben, dass man Kinder nicht alleine lassen könne. Zudem geben Schulen die Weltanschauung der Älteren, zumindest der älteren Angehörigen der gerade herrschenden Klasse, weiter. Die Kinder sollen zu erwachsenen Menschen im Sinne dieser Ideologie herangezüchtet werden. Schule ist Gehirnwäsche.

Wenn jemand wirklich intelligent ist, kann er sich alles Wissen leicht aneignen. Auf viele Dinge kann er sogar selbst durch Nachdenken kommen, er muss sie gar nicht gelesen oder von einem Lehrer vorgetragen bekommen. Und die weniger Intelligenten werden auch durch die Schule nicht klug.

Meine Englischlehrerin meinte in einem Telefongespräch nach meiner Matura, sie habe sich gewundert, dass ich so gut in der Schule gewesen sei, weil ich "nie ganz da" gewesen sei. Ja, warum wohl? Weil mir eben vieles, das die Lehrer vortrugen, ohnehin klar war (und manches war zudem falsch - ich kritisierte es nur nicht, weil ich nicht anecken wollte). Nur Minderbegabte müssen ständig im Unterricht aufpassen und versuchen, sich alles zu merken, weil sie sonst nicht in der Lage wären, zu den im Unterricht präsentierten Erkenntnissen zu gelangen.

Und vielen geht es im gesamten System nur um den Status, nicht um tatsächliches Wissen. Viele studieren nur, weil sie einen Titel haben wollen, damit sie sagen können, sie sind jemand. Besonders unter Klinikchefs an Spitälern, vor allem an großen Spitälern, ist das weitverbreitet, was in der Psychiatrie als "narzisstische Persönlichkeitsstörung" bekannt ist. Zu Recht wird eine übertriebene Selbstverliebtheit als etwas gewertet, das andere Menschen stört. Sicher, eben weil es solche Leute gibt, ist man gezwungen, selbst einen hohen Status zu erlangen, als reine Selbstschutzmaßnahme. Weniger weil man es nötig hätte, um etwa ein Bedürfnis nach Macht über andere Menschen zu befriedigen. Der Doktortitel schützt einen. Das ist der Grund, warum man ihn erwirbt und jahrelanges sinnloses Auswendiglernen in Kauf nimmt. Alles liegt an der Natur des Menschen, die doch sehr zu wünschen übrig lässt.

Als ich Matura machte, meinte meine Englischlehrerin, es sei gut, dass ich "geistige Spitzenleistungen" erbracht hätte, aber die "menschlich-soziale Reife" würde mir fehlen. Damit spielte sie vermutlich darauf an, dass ich gegen Ende der Schulzeit meine im Grunde rebellische Haltung doch nicht mehr ganz unterdrücken konnte - so sehr war mir alles schon auf die Nerven gegangen, das sinnlose Buckeln gegenüber Menschen, die die Autorität des Amtes, aber nicht der Person hatten, das Vorspielen, ein braver Schüler zu sein, der noch lernen müsste und seinen Lehrern dafür dankbar wäre. Die Frage ist nur, ob in diesem Fall wirklich ich unreif war oder ob nicht eher das Bildungssystem hier in diesem Lande - oder vielleicht sogar noch allgemeiner: die Menschheit als Ganzes - das ist, dem es an Reife fehlt.

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