Global Village

In den Anfangszeiten des Internets in seiner heutigen Form wurde in den Medien immer wieder die von Marshall McLuhan geprägte Metapher vom "global village", also vom weltumspannenden Dorf, zitiert. Das war meistens in positivem Sinn gemeint - wenn man darüber aber ein wenig nachdenkt, kommt man darauf, dass ein globales Dorf auch gewaltige Nachteile hätte: Denn in jedem Dorf gibt es unangenehme Menschen, mit denen man, wenn man in diesem Dorf lebt, zwangsläufig zu tun hat. Bisher gab es in solchen Fällen immer die Möglichkeit wegzuziehen. In einem globalen Dorf ist das aber nicht mehr möglich. Hier ist man den unangenehmen Menschen ausgeliefert.

Viele Menschen scheinen nicht klar zu denken, selbst angeblich Hochintelligente nicht. Fast alle Menschen, die ich kenne, sind mehr oder weniger von Vorurteilen durchdrungen, die sie durch ihr Elternhaus, durch ihre Schullaufbahn oder sonstwie vermittelt bekommen haben. Ironischerweise bezeichnen manche diese Ansammlung von Vorurteilen, denen sie nachhängen, als ihre "Bildung".

Da muss man gar nicht erst aktiv jemanden beschimpfen, um Missfallen zu erregen; ich persönlich kann mich auch gar nicht erinnern, jemals irgend jemanden im Internet aktiv beschimpft zu haben. Allenfalls wenn ich selbst beschimpft wurde, habe ich es den Leuten mit gleicher Münze heimgezahlt. Aber ich habe sicher niemals jemanden angegriffen. Wodurch ich oft angeeckt habe, ist vielmehr einfach meine Meinung - meine eigene, ehrliche Meinung, die ich ohne Scheuklappen geäußert habe und die eben manche Menschen vor den Kopf gestoßen hat, weil sie selbst ganz anders denken. Man bedenke, dass es aber nicht einmal meine Absicht war, jemanden zu schockieren. Es stimmt auch nicht, dass ich, wie manche glauben, des Öfteren versuchen würde zu provozieren. Die Beiträge von mir, die als echte Provokationen gedacht waren, halten sich äußerst in Grenzen.

Auch wenn ich selbst nicht religiös bin, kann ich im übrigen die Denkweise religiöser Menschen nachvollziehen. Man muss sich aber im Klaren sein, dass es von dieser Sorte auch unter Hochintelligenten mehr gibt, als man vielleicht vermutet hätte. Religiöse Menschen sind nicht einfach auf dem Papier gläubig. Vielmehr glauben sie tatsächlich, dass sich alles zum Guten wenden wird, solange sie die Vorschriften ihrer Religion einhalten. Da spielt die Unsicherheit eine Rolle, die zum Leben unvermeidlich dazugehört: Man kann sich nie sicher sein, dass das, was man anstrebt, auch tatsächlich gelingen wird. Zwar mag man aufgrund seiner Intelligenz und seiner bisher gemachten Erfahrungen in vielen Fällen den Ausgang eines Vorhabens abschätzen können, hundertprozentig sicher wird man sich aber nicht sein. Religiöse Menschen wägen sich nun in falscher Sicherheit oder hoffen zumindest, dass die Einhaltung der ihnen anerzogenen Lehre letzten Endes zum Erfolg führen wird. Wenn dann letzten Endes alles ganz anders kommt, mögen vielleicht Zweifel an der Religion aufkommen, aber nur bei manchen. Andere wiederum glauben dann, die Religion nicht streng genug befolgt zu haben, widmen sich dem intensiven Studium der religiösen Schriften, reglementieren ihren Tagesablauf noch strenger als bisher, strengen sich noch mehr an - und wenn das alles nichts nützt, dann igeln sie sich immer mehr ein, bis sie schließlich zugrunde gehen.

Wofür ich überhaupt kein Verständnis habe, ist die Vorstellung eines Rechts des Stärkeren - tatsächlich dürften sich aber manche Menschen damit recht gut arrangiert haben. Man überlege einmal: Worauf ist der Flynn-Effekt wirklich zurückzuführen? Ich meine die Beobachtung, dass das durchschnittliche Intelligenzniveau der Bevölkerung in den letzten Jahrzehnten zugenommen hat, zumindest in der westeuropäischen Bevölkerung. Meiner Meinung nach ist die Antwort ganz klar: Weniger intelligente Menschen haben es zunehmend schwerer gehabt, sich im Leben zu behaupten. Übrig geblieben sind eben die Intelligenteren. Das heißt, niemand ist wirklich intelligenter geworden, aber die weniger Begabten sind einfach vermehrt zugrunde gegangen, und so hat sich, statistisch gesehen, das Intelligenzniveau der Bevölkerung erhöht. Es ist genau wie mit dem "global village": Dass die Intelligenz gestiegen ist, wird von vielen wohl ebenfalls als etwas Positives angesehen werden, dabei ist der wahre Grund dahinter eher ein Anlass zur Besorgnis. Jedenfalls ein Anlass zur Besorgnis für einen wirklich mitfühlenden, "menschlichen" Menschen.

Mir scheint es, als spielten jedenfalls in der realen Welt familiäre Beziehungen die wichtigste Rolle. Wer deine Eltern sind, entscheidet über so viele Dinge... Manchmal frage ich mich schon, ob es nicht besser wäre, auf Kinder zu verzichten, solange man sich nicht in einer gesellschaftlich wirklich herausragenden Position befindet, denn: Welche Perspektiven könnte man seinen Kindern sonst geben? Tatsache ist: Wer über Besitz, vor allem von Produktionsmitteln, verfügt, der hat ein relativ leichtes Spiel, seinen Besitz zu mehren. Er muss dafür gar nicht allzu viel tun. Wer hingegen nichts hat, der wird auch nur sehr schwerlich im Laufe seines Lebens etwas anhäufen können.

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