Meine Erfahrungen mit Mensa

Als ich im ersten Semester meines Medizinstudiums stand, las ich gelegentlich die Zeitschrift "Gehirn und Geist". Einmal war dort eine Anzeige des Vereins Mensa, die mich ermutigte, doch einmal den Aufnahmetest zu wagen; es hieß, man werde wahrscheinlich besser abschneiden als erwartet. Da ich wissen wollte, ob meine Erfolge in Schule und Studium nur auf Fleiß zurückzuführen waren oder ich doch auch begabt war, meldete ich mich beim österreichischen Mensa-Verein. Per Post bekam ich den Vortest zugeschickt, diesen bearbeitete ich innerhalb des vorgegebenen Zeitlimits. Das Ergebnis war: Ich sei intelligenter als 99 Prozent der Bevölkerung. Mit Zuversicht ging ich zum Haupttest; dieser enthielt einige Aufgabenarten, die ich gar nicht erwartet hatte, aber auch in diesem Test war ich gut genug, um dem Verein Mensa beizutreten. Ich war also offiziell als intellektuell hochbegabt identifiziert.

Der Verein hat mich anfangs gar nicht so recht interessiert, aber ich ging gelegentlich zu einigen der Veranstaltungen, weil die Themen recht spannend klangen. Der erste Vortragsabend bei Mensa, den ich besuchte, handelte von Parapsychologie. Auch den Spieleabenden wohnte ich immer öfter bei, obwohl ich zunächst Hemmungen hatte, weil ich ja erwachsen war und ich damals dachte, dass Erwachsene eigentlich nicht mehr ihre Zeit mit Spielen verschwenden sollten. Bei den Spieleabenden erkannte ich jedenfalls erstmals, dass auch Hochbegabte Fehler machen; offenbar hatte ich zu viel erwartet.

Im Laufe der Zeit sah ich, dass viele Mitglieder Schwächen aufwiesen. Es gab nur wenige, die wirklich alles konnten. In meiner Jugend war ich besonders auf meine Programmierkenntnisse stolz gewesen, und später, im Informatikstudium, zeigte sich auch, dass ich darin sehr gut war - in der Einführungsübung schnitt ich auf der nach oben offenen Skala als Viertbester von mehr als 500 Studienanfängern ab, weil ich in der Lage war, die schwierigsten Aufgaben zu lösen, und meine Lösungen so sauber waren, dass sie von anderen Studierenden in höheren Übungsrunden als Vorlagen verwendet wurden. Bei Mensa lernte ich Leute kennen, die sich ebenfalls mit Programmierung zu beschäftigen versucht hatten und daran gescheitert waren. Noch offenkundiger wurden die Mängel vieler Mitglieder durch die schriftliche Kommunikation in den Internetforen; es zeigte sich, dass viele Mensaner die deutsche Rechtschreibung nicht besonders gut beherrschten. Auch an Englischkenntnissen mangelte es. Das waren alles Dinge, die man eigentlich in der Schule lernte. Ich hatte nicht erwartet, dass Hochintelligente diese Schwächen aufweisen würden. Aber manche hatten ja nicht einmal Matura. Auch das wunderte mich. Wie konnte es sein, dass jemand mit einem IQ jenseits der 130 die Matura nicht schafft?

Damals hatte ich wohl noch zu wenig Lebenserfahrung, um zu begreifen, dass ich nicht nur gute Anlagen hatte, sondern auch unter besonders günstigen Umweltbedingungen aufgewachsen war und dadurch Möglichkeiten gehabt hatte, meine Talente zu entfalten, die vielen, auch Begabten, fehlten.

Was mich aber ebenfalls wunderte, war die Aggressivität, die manche Mitglieder in den Diskussionsforen zu Tage treten ließen, und auch ihre fehlende Einsicht darin, dass man es mit ihnen nur gut meinte. Ich war offenbar ein herausragendes Mitglied dieses Vereins; denn jedes Mal, wenn ich etwas ins Forum schrieb, zog ich die gesamte Aufmerksamkeit auf mich - alle anderen Teilnehmer gingen auf mich los. Interessanterweise zeigte es sich nach einer einjährigen Forenabstinenz, dass viele derjenigen, die zuvor mich beschimpft hatten, inzwischen aus dem Verein ausgetreten oder ausgeschlossen worden waren; die Streitereien waren also von ihnen ausgegangen, und als ich fehlte, zerfleischten sich die Streithähne gegenseitig.

Was mich immer noch wundert, ist die mangelnde Fähigkeit vieler Mitglieder, sich in die Lage anderer Menschen hineinzuversetzen; nur zu häufig trifft man im Verein Mensa Rechthaber an, die sich im Besitz der absoluten Wahrheit wähnen und nicht einmal bereit sind, ihre Sicht der Dinge in Frage zu stellen. Da frage ich mich schon, inwiefern diese Leute eigentlich als intelligent zu betrachten seien. Allzu viel Intelligenz ist jedenfalls nicht erkennbar.

Wie auch immer: Früher war ich der naiven Ansicht gewesen, intelligente Menschen würden zueinander halten; diese Ansicht musste ich aufgrund meiner Erfahrungen mit dem Verein Mensa revidieren. Zumindest sofern die Intelligenztests wirklich das messen, was sie zu messen vorgeben.

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