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Das Human Brain Project

Der Trailer auf http://www.humanbrainproject.eu / und die weiteren Ausführungen auf den einzelnen Unterseiten haben mich nicht völlig davon überzeugt, dass dieses durchaus sehr ehrgeizige Projekt von Erfolg gekrönt sein wird. Im Prinzip handelt es sich um ein Software-Entwicklungs-Projekt, dessen Ergebnis ein Programm sein soll, das das menschliche Gehirn simuliert, basierend auf Unmengen von Daten, die in Jahrzehnten der Forschung gesammelt wurden. Ich bin mir aber nicht sicher, ob die vorhandenen Daten ausreichen, um dieses Ziel zu erreichen. Jedoch könnte dieses Projekt Forschern zeigen, wo es noch Wissenslücken gibt, die durch weitere Forschung gefüllt werden müssten. Die Autoren der Website geben selbst zu: "Today, the knowledge we need is lacking." ( http://www.humanbrainproject.eu/why_the_human_brain.html ) Das ist auch meine Vermutung: Das Wissen reicht nicht aus, um ohne weitere Grundlagenforschung ein Programm entwickeln zu können, das das menschliche Gehirn komplet

Die Fächer im Medizinstudium

Die Prüfungsfächer im alten Studienplan Medizin an der Medizinischen Universität Wien lassen sich großteils zwei verschiedenen Gattungen zuordnen: Einerseits gibt es morphologisch orientierte Fächer, in denen es darauf ankommt, wie etwas aussieht bzw. welchen visuellen Eindruck es hinterlässt. Hier kommt es meistens auf Dinge an, die man mit dem Auge erkennen kann, sei es makroskopisch oder unter dem Mikroskop. Die klinischen Fächer dieser Art sind eher chirurgisch orientiert und erfordern handwerkliches Geschick. Beim Lernen kommt es sehr auf ein gutes Gedächtnis an. Logisches Denken nützt wenig. Andererseits gibt es funktionell orientierte Fächer, die sich mit Vorgängen im Körper beschäftigen. Viele dieser Vorgänge sind molekularer Natur und können weder mit freiem Auge noch mit dem Mikroskop wahrgenommen werden. Somit sind diese Fächer viel abstrakter. Die klinischen Fächer dieser Art sind eher internistisch orientiert und erfordern oft die Interpretation von Laborbefunden zur Diagn

Eric Kandel und die Juden

Vorgestern war im Fernsehen eine Sendung über den Gedächtnisforscher Eric Kandel. Dazu würde ich gerne zwei Dinge bemerken. Zuerst einmal: Erst gestern habe ich mich (beim Nachdenken über das, wovon ich im nächsten Absatz schreiben werde) erinnert, dass ich Kandel ja einmal persönlich begegnet bin und mit ihm einige Worte gewechselt habe. (Ich fragte ihn, ob er der Meinung ist, dass in nächster Zeit wieder einmal ein Österreicher den Nobelpreis bekommen werde, und er meinte, ja.) Dass ich nicht bereits während der Sendung an diese Begegnung gedacht habe, ist ein Beweis dafür, dass ich mittlerweile schon so lange in "gewissen Kreisen" verkehre, dass es für mich offenbar nichts Besonderes mehr ist, einem Nobelpreisträger persönlich begegnet zu sein. Das Andere: Mehr noch als über die Forschung handelte die Sendung von Kandels Verhältnis zum Judentum, wobei es sich zeigte, dass seine emotionale Verbundenheit damit sehr stark ist. Für Kandel ist das Judentum ein Teil seiner "

"Ein kleiner Wissenschaftler"

Zu Beginn meiner Gymnasialzeit meinte meine damals neue Klassenvorständin gegenüber meiner Mutter: "Ihr Sohn ist ein kleiner Wissenschaftler." Das war positiv gemeint, und diese Bemerkung hat mich gefreut, weil ich tatsächlich schon damals eine Hochschulkarriere anstrebte. Dass "little professor" im angelsächsischen Sprachraum auch eine gängige (liebevolle) Bezeichnung für Kinder mit Asperger-Autismus ist, weil diese von ihrem Habitus her an Professoren erinnern (selbst wenn sie nicht vorhaben, eines Tages solche zu werden), ist eine andere Sache. Bei mir war es jedenfalls so, dass ich mich schon - beziehungsweise gerade - in jungen Jahren bemüht habe, das Auftreten eines Gelehrten zu haben. Dazu zählte für mich vor allem, keine Fehler zu machen. Denn ich war der Meinung: Alles, was ein Gelehrter sagt, muss hieb- und stichfest sein. So dachte ich zumindest damals. Die eine Art von Fehlern, die Menschen häufig machen, sind Logikfehler. Mir kam meine Begabung im logis

Was mir zu denken gab

Kurz nach meiner Matura meinte ein deutlich älterer Brieffreund (dem ich persönlich nie begegnet bin, zumindest nicht wissentlich) zu mir, er fände es gut, dass ich nun doch Medizin studieren wolle; er habe nicht verstehen können, dass sich jemand mit meiner Begabung für Informatik interessieren kann. Dass ich nicht Medizin studieren wollte und letzten Endes auch kein besonders guter, sondern (den Noten nach) ein eher durchschnittlicher Medizinstudent wurde, kann ich aber ganz einfach begründen: Ich bin von meiner Persönlichkeit her ein Denker. Deswegen bin ich auch gar nicht glücklich, wenn ich viel lernen muss; denn beim Lernen muss ich mich auf den Stoff konzentrieren und kann nicht über jene Dinge nachdenken, die mich wirklich interessieren. Als einem, der gerne denkt, haben mir aber auf Anhieb die Internet-Foren zugesagt, die in den ersten Jahren nach Beginn meines Studiums in Mode kamen. In diesen Foren habe ich dann auch recht viel Zeit verbracht - soweit ich eben während des St

Stochastische Unabhängigkeit

Als frischgebackener Doktor der Medizin gehöre ich einer Elite von ca. 0,5% der Bevölkerung Österreichs an; aber wie viel Prozent der Bevölkerung haben, so wie ich, sowohl Medizin als auch Informatik abgeschlossen? Ich habe kurz nachgedacht, ob man das berechnen kann, und bin darauf gekommen, dass es nicht möglich ist, weil die relativen Häufigkeiten der Mediziner und der Informatiker im allgemeinen Fall nicht stochastisch unabhängig sind. Nach weiterem Nachdenken bin ich zum Schluss gekommen, dass dieses Beispiel gut das Konzept der stochastischen Unabhängigkeit illustriert und man darüber einen kurzen Blogeintrag schreiben könnte, auch wenn dieser Blog in erster Linie nicht der Lehre dient. Wenn P(A) die Wahrscheinlichkeit ist, dass ein in Österreich lebender Mensch ein Studium der Medizin abgeschlossen hat, und P(B) die Wahrscheinlichkeit, dass er ein Informatikstudium abgeschlossen hat, dann könnte man meinen, die Wahrscheinlichkeit, beides abgeschlossen zu haben (wollen wir sie P(

Politik

Politik ist ein Thema, zu dem ich mir schon viele Gedanken gemacht habe, obwohl es nicht zu den Schwerpunkten meiner Ausbildung gehört. Ich entstamme einem politisch heterogenen Elternhaus: Meine Mutter wurde in sozialdemokratischen Jugendorganisationen sozialisiert, während mein Vater Parteien aus dem konservativeren Spektrum favorisierte. Insbesondere mein Vater war immer sehr an Politik interessiert, er las regelmäßig die Frankfurter Allgemeine Zeitung und kommentierte bei jeder Gelegenheit das politische Geschehen. Als Jugendlicher beschloss ich, dass mir keine der größeren Parteien zusagte, und bei meiner ersten Wahl gab ich dem Liberalen Forum (LIF) meine Stimme. Ich wollte aber auch aktiv kennen lernen, wie Politik gemacht wird, und schloss mich daher kurz nach Beginn meines Studiums der Österreichischen Medizinerunion (ÖMU) an. Das war an der Medizinischen Fakultät die tonangebende Fraktion der Österreichischen Hochschülerschaft (ÖH). Zufälligerweise stand sie der Österreichisc

Medizinische Genetik

Während meines Medizinstudiums habe ich mir öfter die Frage gestellt, welches Fach ich machen würde, wenn ich wirklich eine medizinische Laufbahn einschlagen sollte. Als eine von wenigen mir realistisch erscheinenden Möglichkeiten habe ich an die Medizinische Genetik gedacht. Gestern war im 3sat eine Sendung über "Rätselhafte Krankheiten". Da kam auch ein Fall vor, der mit Genetik zu tun hatte. Da habe ich mir wieder gedacht, dass dieses Fach mich nach wie vor interessieren würde. Der Patient litt an einer mangelnden Clearance der Niere mit drohendem Nierenversagen, außerdem wies sein EKG Auffälligkeiten auf. In seiner Jugend war er öfter beim Arzt wegen brennender Schmerzen der Hand gewesen, doch der Arzt war ratlos gewesen. Keiner der Spezialisten, die er im Laufe seines über fünfzigjährigen Lebens aufsuchte, hatte von Medizinischer Genetik ausreichend Ahnung, um die richtige Diagnose stellen zu können. Die richtige Diagnose kam dann per Post: Seine Schwester hatte herausge