Sind Ärzte Wissenschaftler? (Repost)

http://scienceblogs.de/kritisch-gedacht/2013/11/22/sind-aerzte-wissenschaftler/

Dr. Claus Volko
Wien
30. Dezember 2013

Es ist ein leider weit verbreitetes Vorurteil, dass das Medizinstudium keine wissenschaftliche Ausbildung darstelle. Zunächst muss man feststellen, dass Medizinstudium nicht gleich Medizinstudium ist. Wir haben hier in Österreich die kuriose Situation, dass durch die Studienplanreform des Jahres 2002 ein Doktoratsstudium abgeschafft und ein Diplomstudium eingeführt wurde, welches dieses Doktoratsstudium künftighin ersetzen sollte. Da aber die Ärztekammer dagegen war, dass Mediziner nur mehr den Titel “Magister” bekämen, wurde der Titel “Dr. med. univ.” beibehalten. Somit ist Doktor nicht gleich Doktor. Absolventen des alten Studiums (N201) sind rechtlich gesehen promoviert, also zum selbstständigen wissenschaftlichen Arbeiten berechtigt. Absolventen des neuen Studiums (N202) sind dazu theoretisch nicht qualifiziert. Trotzdem haben sie alle den gleichen Titel. Noch kurioser wird die Sache, wenn man sich ansieht, wie die Studien aufgebaut sind. Im alten Studium, das offiziell zum selbstständigen wissenschaftlichen Arbeiten qualifizierte, war es nämlich nicht Pflicht, eine wissenschaftliche Abschlussarbeit zu verfassen; im neuen Studium hingegen schon. Jedenfalls ist richtig, dass im Medizinstudium, sowohl im alten als auch im neuen Studium (wenngleich im alten wahrscheinlich mehr als im neuen), sehr viel Wissen vermittelt wurde, aber nur wenig Methodik. Ob man ein Studium, das viel Wissen vermittelt, als nicht-wissenschaftlich betrachten kann? Ich glaube eigentlich nicht, dass die Pflicht, eine Abschlussarbeit zu verfassen, das Niveau der Absolventen hebt. In der medizinischen Forschung kommen doch recht unterschiedliche Methoden zum Einsatz, und wenn man in seinem Leben nur eine einzige Arbeit schreibt, wird man wohl auch nur eine einzige dieser Methoden kennen lernen. Auf jeden Fall ist es wichtig, sich selbst das Wissen über die wissenschaftliche Methodik anzueignen, falls es einen interessiert. Da das alte Studium weitgehend Selbststudium war, liegt es in der Natur der Absolventen dieses alten Studiums, sich selbstständig Wissen anzueignen. So gesehen, denke ich nicht, dass Mediziner für wissenschaftliches Arbeiten schlecht qualifiziert wären. Es kommt halt darauf an, ob man sich dafür interessiert. Das ist individuell sicherlich verschieden.

Kommentare

Beliebte Posts aus diesem Blog

The Demoscene

Digital Art Natives

Autobiographical Sketch