Gründe für Antisemitismus

Früher habe ich nie verstanden, warum manche Leute antisemitisch eingestellt sind, wo doch Juden bekanntlich so viel für die Menschheit geleistet haben, von der Relativitätstheorie bis zur Anti-Baby-Pille. Wenn ich nach den Gründen gefragt habe, habe ich keine befriedigenden Antworten erhalten. Das mag daran liegen, dass manche Leute zwar solche Einstellungen haben, es aber nicht offen zugeben würden.

Inzwischen verfüge ich aber schon über so viel Wissen, dass ich mir auf manche Dinge einen Reim machen kann.

Grundsätzlich glaube ich, dass es in der Natur religiöser Menschen liegt, Anhängern anderer Religionen misstrauisch gegenüber zu stehen. Das wird ursprünglich sicher eine Rolle gespielt haben. Es galt früher das Prinzip "cuius regio, eius religio" - die Untertanen mussten also die Religion des Feudalherren annehmen. Nur die Juden taten es nicht. Es wurde versucht, sie zum Übertritt zu bewegen, indem ihnen der Zugang zu allen möglichen Berufen verwehrt wurde. Doch dann kam man darauf, dass die Juden sogar nützlich sein könnten: denn Christen war es verboten, Zinsen einzutreiben. Somit konnten sich Juden als Geldverleiher nützlich machen.

Durch diese Beschränkung auf den Beruf des Geldverleihers, der eher intellektueller Natur war und vermutlich eine für damalige Verhältnisse überdurchschnittliche Intelligenz erforderte, begab es sich, dass nur solche Juden ihr Dasein fristen konnten, die über einen entsprechend hohen Intelligenzgrad verfügten. So kam es innerhalb der jüdischen Population zu einem Selektionsdruck, der dazu führte, dass bald die meisten der überlebenden Juden im Vergleich zu vielen ihrer christlichen Mitbürger relativ intelligent waren.

Als dann durch den Liberalismus im 19. Jahrhundert die Juden in den meisten Aspekten des Lebens den Christen gleichgestellt wurden, führte die auf diese Weise entwickelte intellektuelle Begabung und die im Judentum traditionell stark positive Einstellung zur Bildung bei den Juden dazu, dass sie überdurchschnittlich häufig ein Universitätsstudium abschlossen und in akademischen Berufen stark überproportional vertreten waren. Dadurch nahmen sie in der Gesellschaft nun Schlüsselpositionen ein, wie etwa die des Arztes oder des Juristen.

Das führte zum Neid der früheren christlichen Eliten, die Angst um ihre Futtertröge hatten. So entstand wahrscheinlich der moderne Antisemitismus. Die gebildeten Christen verfassten antisemitische Schriften und Flugblätter, und diese wurden von vielen Leuten gelesen, darunter auch von Hitler. Dieser machte dann den Antisemitismus zum Kern seiner Politik, was während des Zweiten Weltkriegs im Völkermord an den Juden gipfelte.

Wenn man sich die heutigen Verhältnisse hier in Österreich ansieht, dann fühlt man sich jedenfalls in die Zeit vor dem 19. Jahrhundert zurückversetzt. An den Universitäten stellt die christliche (vor allem katholische) Elite die meisten Professoren. Nicht an jeder Fakultät - die Informatik zum Beispiel ist wahrscheinlich weltanschaulich offener als etwa die Medizin -, aber an vielen. Das Wissenschaftsministerium ist seit Jahrzehnten in Hand der katholisch-konservativen ÖVP, und diese besetzt zu vergebende Posten eben meistens mit Parteigängern. Viele Professoren sind auch im Cartellverband (CV) sozialisiert worden. Als Nicht-Christ, etwa als Atheist, hat man es, außer an einigen "fortschrittlichen" Fakultäten, im heutigen Österreich sehr schwer, eine Hochschulkarriere zu machen.

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