Österreichs Nobelpreisträger

Ich nehme an, dass die Medien früher oder später darauf kommen werden, dass einer der diesjährigen Chemie-Nobelpreisträger österreichisch-amerikanischer Doppelstaatsbürger ist. Daher bin ich gespannt, ob sie wieder hinausposaunen werden "Österreicher bekommt Nobelpreis!", wie sie dies vor etwas mehr als zehn Jahren bei Eric Kandel gemacht haben, woraufhin dieser dann empört zurückgewiesen hat, ein österreichischer Nobelpreisträger zu sein.

Wenn gebürtige Österreicher Nobelpreise abräumen, aber ihre Karriere weitgehend im Ausland gemacht haben, dann zeigt das vor allem zwei Dinge: einerseits, dass der Genpool in Österreich nicht so schlecht ist - es gibt doch Menschen, die von Natur aus begabt genug sind, um nobelpreiswürdige Leistungen zu erbringen. Andererseits zeigt es aber auch, dass es offenbar nur möglich ist, diese Leistungen zu erbringen, wenn man ins Ausland geht. Der Fehler liegt also im System.

Ich habe es schon oft gesagt: Hier in Österreich ist das System zu sehr von politischen und ideologischen Seilschaften bestimmt. Da zählt mehr das Parteibuch als die Begabung. Wer, wie ich, zwar begabt ist, aber ein "Nobody", hat kaum Chancen, etwas zu werden. Viele Professoren sind Mitglieder im Österreichischen Cartellverband, und wer dort Mitglied ist, ist verpflichtet, andere Mitglieder bei der Postenvergabe vorzuziehen. Ich selbst hätte dem Cartellverband nur beitreten können, wenn ich bereit gewesen wäre, mich katholisch taufen zu lassen, und diesen Schritt wollte ich nie gehen, weil mir meine Meinungsfreiheit wichtiger ist als die Karriere. So habe ich also Pech gehabt - denn an den mich interessierenden Universitätsinstituten haben eben die CVler das Sagen.

In diesem Zusammenhang fand ich auch sehr interessant die Aussage eines Kollegen von mir, der meinte, dass berühmte Wiener Mediziner und Wissenschaftler wie Sigmund Freud oder Carl Djerassi von vielen, die hierzulande das Sagen haben, nicht anerkannt werden, weil sie Juden gewesen seien. Mein Kollege meinte, indem wir die Arbeiten Freuds und Djerassis fortführten, könnten wir (als Nichtjuden) eventuell erreichen, dass ihnen endlich die Anerkennung zuteil würde, die sie verdient haben. Ich muss sagen, dass ich mich diese Aussage nachdenklich gemacht hat. In meiner Schule wurde Freud eigentlich als großer Entdecker gepriesen. Aber immer mehr komme ich darauf, dass viele Menschen in diesem Land nicht so denken wie die Lehrer an meiner Schule. Mich stimmt das traurig, sogar etwas wütend. Haben diese Leute denn nichts gelernt? Oder waren sie an falschen Schulen? Wie ich bereits einmal geschrieben habe, war ich ja an einer "roten" Schule. Vielleicht sind "schwarze" Schulen in der Tat anders. Möglicherweise bekommen Menschen, die an einer "schwarzen" Schule ihre "Bildung" erlangt haben, ein ganz anderes Weltbild vermittelt.

Die "Schwarzen", also die Christlich-Konservativen, sind mir wesensfremd. Ebenso die "Blauen", die Deutschnationalen. Sie haben Ansichten, die ich nicht nachvollziehen kann. Ich kann mir auch nur schwer vorstellen, wie ein intelligenter junger Mensch zu solchen Konklusionen kommen kann. Wahrscheinlich hat er es auch gar nicht, sondern er hat einfach die Meinungen seiner Eltern übernommen - welche diese wiederum von wem auch immer übernommen haben. Tradition eben. Der ursprüngliche Grund, warum diese Meinungen vertreten wurden, ist in der Zeit verlorengegangen. Irgendeinen logischen Grund wird es ganz am Anfang vermutlich schon gegeben haben, aber dieser ist in Vergessenheit geraten, und nur die Konklusionen - womöglich auch nur halb verstandene Konklusionen - sind in Erinnerung geblieben. Am Ende bleibt, wie es der derzeitige Bundesparteiobmann der "Schwarzen", Dr. Michael Spindelegger, formuliert hat: "Es ist so, weil es immer schon so war."

Wenn gerade das österreichische Bürgertum antisemitisch eingestellt sein soll, wie mein Kollege meinte, dann vermute ich, dass es sich um einen Reflex handelt: Die Bürgerlichen glauben, sie seien die Besten, sie machen alles richtig. Juden jedoch haben eine andere Religion und damit verbunden andere Wertvorstellungen. Wenn Juden im Leben, unter anderem in der Wissenschaft, erfolgreich sind, dann weckt das einerseits Neid, andererseits aber auch schlichtwegs Ablehnung, weil die Bürgerlichen glauben, dass die Juden nicht den richtigen Weg gegangen seien. Ihre Erfolge seien wohl eher auf Zufall als auf korrekte Lebensführung zurückzuführen. Überhaupt dürfte es den Konservativen sehr wichtig sein, den richtigen Lebensstil zu pflegen. Ich habe ja auch erst vor kurzem in diesem Blog über die Denkweise religiöser Menschen geschrieben: Sie glauben, die Unsicherheitsfaktoren, die es im Leben ja immer gibt, weitgehend ausschalten zu können, indem sie sich an die Vorschriften ihrer Religion halten. So gesehen, hat Religion sehr viel mit Lebensweise zu tun. Natürlich ist es dann auch logisch, dass religiöse Menschen anderen, die zwar erfolgreich sind, aber einen anderen Lebensstil haben, Letzteres zum Vorwurf machen könnten (natürlich ohne objektive Rechtfertigung).

Mich macht die Haltung dieser christlich-konservativen Menschen schon ein bisschen wütend. Vermutlich vor allem deswegen, weil eine sachliche Diskussion mit ihnen unmöglich ist; sie wähnen sich in Besitz der absoluten Wahrheit. Da denke ich mir oft, es wäre besser, wenn es solche Menschen nicht gäbe oder sie irgendwo weit weg in einem anderen Land lebten und ich mit ihnen nichts zu tun haben müsste.

Wie auch immer: Ob es mir vielleicht doch möglich sein wird, hier in Österreich eine nobelpreiswürdige Leistung zu erbringen, wird man noch sehen.

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