"Streber"

Erst spät, als Erwachsener, habe ich begriffen, dass viele Menschen solche, die in der Schule gut sind bzw. waren, nicht leiden können und es auch nichts nützt, wenn man sich freundlich und hilfsbereit zeigt und beispielsweise unentgeltlich Nachhilfe gibt. Am Gymnasium hielten sich die Anfeindungen in Grenzen, was vermutlich am Gewöhnungseffekt lag. Es kam aber auch hin und wieder vor, dass sich jemand negativ über "Streber" äußerte, zum Beispiel nach dem "7. Wiener Mathematik- und Denksportwettbewerb": Als ich vor der Ergebnisverkündung mit meinen Eltern zusammen war, meinte mein Vater: "Schau', diese beiden haben auch am Wettbewerb teilgenommen, geh' doch zu ihnen hin und sprich sie an!" Also fragte ich die beiden, wie es ihnen ergangen war. Sie: "Wie wohl? Scheiße war's!" Daraufhin sagte ich, dass mir die im Wettbewerb gestellten Aufgaben nicht schwer gefallen seien. Die Reaktion: "Du bist wohl eine Streber-Sau, wie?" Und da hat sich mein Vater noch gewundert, dass ich es vorzog in Gesellschaft zu schweigen.

Bei Mensa gab es auch viele, die in der Schule nicht gut waren - offenbar entspricht das, was der Intelligenztest misst, nicht dem, was für Erfolg in der Schule relevant ist. Mein Freund und Mentor Dr. Uwe Rohr meinte einmal: "Sie benehmen sich dir gegenüber wie Normalbegabte!" In der Literatur wird beschrieben, wie Hochbegabte von Normalbegabten gemobbt werden. Hier wurde ich von vermeintlich Hochbegabten gemobbt. Wieder ging es in Wahrheit darum, wer mehr Erfolg im Leben hatte.

In der Literatur liest man immer wieder, dass Normalbegabte Hochbegabte nicht mögen. Da ich nicht weiß, wie ich behandelt worden wäre, wenn ich in der Schule nur durchschnittliche Leistungen erbracht hätte, kann ich das nicht bestätigen. Jedenfalls haben meine Eltern völlig darin versagt, mir Überlebensstrategien für eine Welt zu vermitteln, in der man nicht beliebt ist.

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