Mein Weltbild (2024)
Als das Liberale Forum im Jahre 1993 gegründet wurde, besuchte ich gerade die vierte Klasse Volksschule. Mir gefielt diese neue Partei auf Anhieb, weil mir die Grundidee zusagte, dass jeder Mensch ein Individuum sei und das Recht habe, sich selbst zu verwirklichen. Das unterschied sich doch deutlich von dem kollektivistischen Denken in Nationen und/oder Klassen, das ich von anderen politischen Gruppierungen kannte.
Im Medizinstudium hatten wir in der Universitätsvertretung seit dem Ende des Krieges eine christlich-soziale Mehrheit. Da ich nicht nur Mitglied einer Fraktion sein, sondern tatsächlich gestalten wollte, schloss ich mich dieser Fraktion an, obwohl ich nicht religiös war. Es zeigte sich, dass man mich nur mit Bauchweh akzeptierte. Erst als die Führung der Fraktion wechselte, bekam ich ein Amt zugeteilt, nämlich die Mitgliedschaft in einer Habilitationskommission. Andere Mitglieder hatten viel schneller Karriere gemacht. Dann kam es noch einmal zu einem Wechsel an der Spitze, und der neue Vorsitzende mochte mich überhaupt nicht. Das gab für mich dann den Ausschlag, mich den Jungen Liberalen anzuschließen, obwohl diese in der Hochschülerschaft nur über wenig Macht verfügten. Aber so kam ich endlich zu einer Mitgliedschaft in einer Partei, deren Weltanschauung der meinigen ähnlich war.
2017 und 2019 kandidierte ich schließlich für Neos, der neuen Mutterpartei der Jungen Liberalen, bei großen bundesweiten Wahlen, nämlich der Nationalratswahl und der Wahl zum Europäischen Parlament. Allerdings wurde ich in den parteiinternen Vorwahlen nur auf aussichtslose Listenplätze gereiht. Ich bin somit kein Politiker von Bedeutung. Meine Ausführungen sind daher nicht von Interesse, wenn man nur etwas von einem sehr mächtigen Menschen lesen möchte. Sie stellen nur Gedanken eines am Weltgeschehen Interessierten dar.
In Österreich gibt es traditionell zwei Parteien, die sehr einflussreich sind, die „Roten“ und die „Schwarzen“. Lange Zeit bildeten sie gemeinsam eine Große Koalition. Das bedeutet, dass bei der Postenvergabe im öffentlichen Dienst im Grunde genommen die Chancen sehr gering waren, wenn man nicht einer dieser beiden Parteien nahestand. Erst Schüssel formte eine Koalition mit einer dritten Partei, bei der die „Roten“ ausgeschlossen waren. Später wiederholten Kurz und dessen Nachfolger dieses Spiel. Tatsache ist, dass keine Partei so lange an der Regierung beteiligt war wie die „Schwarzen“. Jetzt stellt sich die Frage, welche gesellschaftlichen Schichten diese Partei eigentlich repräsentiert.
Manche sagen, die „Schwarzen“ seien die Unternehmer, Bauern und Wohlhabenden. Das kann sein. Auf jeden Fall aber sind sie eine Partei, die der römisch-katholischen Kirche nahesteht. Dieses Naheverhältnis ist sicherlich der Grund, warum nicht alle Bürgerlichen schwarz wählen. Gerade Neos stellt eine Alternative für Wohlhabende dar, die nicht religiös sind.
Auf jeden Fall aber sind es meist Anhänger der „Schwarzen“, die in der Gesellschaft das Sagen haben, sei es zum Beispiel als Vorgesetzte. Das bedeutet auch, dass die Mächtigen in diesem Land in der Regel der römisch-katholischen Kirche nahestehen. Ergo hat jemand, der nicht katholisch ist, geringe Chancen auf einen Aufstieg in eine leitende Position.
Die römisch-katholische Kirche mischt sich in viele Dinge ein, die sie eigentlich nichts angehen, zum Beispiel in die Medizin. Sie ist gegen Abtreibung, gegen Präimplantationsdiagnostik, gegen Keimbahntherapie. Die Gesetzgebung in dieser Hinsicht entspricht weitgehend dem katholischen Weltbild. Im Parlament findet sich in der Regel keine Mehrheit, die der römisch-katholischen Lehre widerspricht.
Ich habe schon in einem inzwischen leider verschollenen Aufsatz aus dem Jahre 2001 kurz nach Beginn meines Medizinstudiums geschrieben, dass es in vielerlei Hinsicht vernünftiger wäre, die römisch-katholische Lehre durch die Ansichten der Juden zu ersetzen. Als Beispiel habe ich gebracht, dass aus jüdischer Sicht die Menschwerdung erst zum Zeitpunkt der Geburt erfolgt. Daher ist es für einen Juden kein Problem, ein nicht geborenes Wesen abzutreiben. Da bedarf es keiner Fristenregelung oder ähnlichen gesetzgeberischen Verrenkungen. Wenn das Judentum Staatsreligion wird, dürfen Schwangerschaften jederzeit abgebrochen werden.
Juden haben auch kein Problem mit Keimbahntherapie oder Präimplantationsdiagnostik, denn sie sind sehr bedacht darauf, Erbkrankheiten zu vermeiden, und ihnen ist jedes Mittel recht, dieses Ziel zu erreichen.
Stellt die Zuwanderung aus muslimischen Ländern für mich ein Problem dar? Momentan noch nicht, denn die Macht haben immer noch die Katholiken inne. Es könnte vielleicht sein, dass die Muslime in ein paar Jahren einen signifikanten Anteil an der Bevölkerung haben werden. Aber auch wenn sie bei Wahlen gehörig mitzureden haben, darf man die Augen nicht vor der Tatsache verschließen, dass in Österreich lebende Muslime hauptsächlich der Unterschicht angehören. Meiner Meinung nach stellt sich eher die Frage, ob man nicht Muslime als Verbündete gegen die Katholiken gewinnen könnte.
Einstein, Popper und Freud stammten aus jüdischen Familien; mir fallen hingegen nur wenige Namen von bedeutenden Wissenschaftlern ein, die Katholiken waren. Dass Österreich auf dem Gebiet der Wissenschaft nur eine unbedeutende Rolle spielt, ist wahrscheinlich nicht zuletzt darauf zurückzuführen, dass bei der Postenvergabe an den Universitäten jahrzehntelang Katholiken bevorzugt worden sind. [1]
Leider gibt es in Österreich nur mehr wenige Juden; ihre Zahl wird auf etwa dreizehntausend geschätzt. Allerdings ist der prozentuelle Anteil von Personen mit Matura oder höherem Bildungsgrad überproportional hoch. [2] Somit spielen Personen jüdischer Herkunft durchaus eine Rolle an den Hochschulen. Natürlich könnte die Bundesregierung diese Tatsache noch fördern, indem sie gezielt jüdische Akademiker ins Land ließe. Es müsste dazu halt eine neuartige Regierungskonstellation gebildet werden, mit Ausschluss der „Schwarzen“.
[1] "Kein Jude, kein Linker, kein Positivist" - https://sciencev2.orf.at/stories/1726786/index.html
[2] Es gibt dazu Statistiken – leider konnte ich auf die Schnelle keine im Web finden.
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