Studentenleben

Wenn Studierende eigene Weblogs unterhalten, in denen sie ihr Studentendasein ausführlich schildern, dann ist das grundsätzlich eine schöne Sache - solche Blogs könnten auch später als Dokumentation des Studentenlebens zu Beginn des 21. Jahrhunderts nach christlicher Zeitrechnung dienen, und sie könnten in biografischen Werken berücksichtigt werden, sollte sich der damalige Studierende im Verlauf seines weiteren Lebens zu einer bedeutenden Persönlichkeit mausern. Dass solche Weblogs auch missbraucht werden können, um jenen, die sich besonders offen darin präsentieren, zu schaden, ist ebenfalls klar; und mich persönlich stört das nicht, solange es nicht um mich selbst geht.

Allgemein lese ich aus solchen Blogs jedenfalls heraus, dass sich die heutigen Studierenden für eine Art Elite halten, auch wenn sie das wahrscheinlich nicht gerne zugäben, wenn man sie danach ausdrücklich fragte. Sie betrachten sich als auserwählt, weil sie in der Schule gut waren, jedenfalls gut genug, um sich für ein Studium an einer Hochschule zu qualifizieren. Die Bezeichnung "Elite" ist also gerechtfertigt. Dass viele nur deswegen dieser Elite angehören, weil sie das Glück hatten, in eine Familie geboren worden zu sein, die über eine entsprechende gesellschaftliche Stellung verfügte und dadurch ihren Kindern eine entsprechende Schulausbildung ermöglichen konnte, ist ihnen wahrscheinlich gar nicht bewusst.

Deutlich erkennbar ist der Einfluss der Schönwetter-Ideologie. Man zeigt sich weltoffen und tolerant, aufgeschlossen gegenüber Studienkollegen aus anderen Nationen und anderen Kulturkreisen; man gibt sich frei von Vorurteilen (hat möglicherweise auch tatsächlich keine, weil man naiv ist) und jedem gegenüber nett, freundlich, ja sogar freundschaftlich.

Im Political Compass wird der Proband unter anderem gefragt, ob er der Meinung sei, dass es primär die Nationalität sei, welche die Menschheit in verschiedene Lager trenne, oder eher doch die Zugehörigkeit zu einer Klasse. Diese scheinbar weltoffenen Studierenden werden wohl eher Anhänger der zweiten Alternative sein - auch wenn ihnen das vielleicht gar nicht bewusst ist. In der heutigen Zeit wird eine solche Vernetzung der Eliten durch supranationale Einrichtungen wie das ERASMUS-Programm der Europäischen Union gefördert. Es ist also auch von der Politik, zumindest von den derzeit hier in Europa herrschenden Parteien, gewünscht, dass Studierende aus verschiedenen Ländern zusammenkommen und sich verbrüdern. Dass dabei das einfache Volk, welches nie die Möglichkeit hatte, an einer Universität zu studieren, das Nachsehen hat und in Folge dessen gerade unter einfachen Leuten politische Strömungen Aufwind bekommen, die in Opposition zu diesem Kosmopolitismus stehen, ist ein beabsichtiger oder unbeabsichtigter, erkannter und erwarteter oder unerkannter und unerwarteter (welche dieser Alternativen zutrifft, weiß ich nicht) Seiteneffekt.

Auffällig ist auch, dass sich die Studierenden von heute gerne als besonders aktiv präsentieren, also weniger als Intellektuelle, die viel nachdenken, sondern eher als Aktionisten, die viel tun und ihr Hirn nur zu einem geringen Grade einschalten. Dazu passt auch, dass in der Freizeit verschiedenen gemeinsamen Tätigkeiten nachgegangen wird, deren Sinn einem vernunftbegabten Menschen mehr oder weniger schleierhaft ist - man bäckt zusammen Kuchen, man fährt Kanu und so weiter. Vielleicht ist es so, dass die Studierenden von heute zwar eine Leistungselite darstellen sollen, aber es noch eine darübergeordnete Schicht geben soll, jene, die echt intellektuell sind und dann letzten Endes ihre Fäden im Hintergrund ziehen. Solche Leute gibt es sicher; besser gesagt, man kann nur hoffen, dass es solche Leute gibt, denn ohne Intellektuelle wird eine Gesellschaft nicht funktionieren können. Die Frage ist nur, welchem Herrn diese Leute dienen - und wo man sie finden kann.

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