Das Hochschulwesen - Ein verlogenes System

Im folgenden Text werde ich darüber berichten, wie sich meine Illusionen in Luft auflösten und ich erkannte, dass das Hochschulwesen nicht dem wissenschaftlichen Fortschritt dient, sondern es sich um einen Apparat handelt, in dem es um das Aufrechterhalten von Geldflüssen und Macht über Studierende und Doktoranden geht. Ich verfasse diesen Text in privilegierter Stellung, denn ich kenne das System zwar von innen, bin davon aber nicht abhängig.

Ich wurde 1983 in eine Familie der gebildeten Wiener Mittelschicht geboren, in der Religion keine Rolle spielte und der Glaube an den wissenschaftlichen und technischen Fortschritt stark verankert war. Aus Traditionsgründen wurden zwar Weihnachten und Ostern gefeiert, aber nicht aus einem religösen Kontext heraus. Mein Vater war ein Anhänger des britisch-österreichischen Philosophen Karl Popper und brachte mir schon in sehr jungen Jahren dessen Falsifikationsprinzip bei. Besonders anhand der Computertechnik erlebte ich, wie rasant Fortschritt geschehen konnte: Fing ich noch mit einem Commodore 64 an, so bekam ich wenige Jahre später bereits einen PC mit Soundkarte, dann kamen das Internet, 3D-Beschleuniger und Mobiltelefone, deren Leistung mit handelsüblichen Rechnern vergleichbar war. Zu meiner Matura wählte ich in English "Modern science, technology and their impact on society" als mein Spezialgebiet. Während ich dazu anfangs hauptsächlich Literatur las, die sich mit Computern beschäftigte, gelang es meinem Vater ein Jahr vor der Matura, mir auch Bücher über Genetik nahezubringen. Ich war von den Möglichkeiten begeistert, die die moderne Genetik für die Behandlung von Krankheiten bereithielt, und beschloss, dass dies das sein würde, was ich zum Mittelpunkt meines Lebens machen würde: Forschung, um bisher unheilbare Krankheiten heilbar zu machen. So kam es, dass ich nach der Matura ein Medizinstudium anfing. Natürlich hätte ich auch ein naturwissenschaftliches Studium wählen können, doch wusste ich bereits damals, dass es nur relativ wenige Stellen in der Forschung gibt, und während man mit einem rein naturwissenschaftlichen Studium keine Alternativen hat, kann man mit einem abgeschlossenen Medizinstudium zumindest auch als Arzt arbeiten. Dieses Studium war sicherlich keine schlechte Wahl.

Ich hatte meine Matura mit einem Notendurchschnitt von 1,0 bestanden und auch im Medizinstudium keine gröberen Probleme mit dem Lernen. Bei den Praktika merkte ich allerdings, dass mir die Routinetätigkeiten eines Turnusarztes - Blut abnehmen und Dauerverweilkanülen legen - schwerfielen. Dies gab den Ausschlag, als Zweitstudium Informatik zu inskribieren. Programmieren konnte ich bereits, ich hatte es mir schon im Volksschulalter selbst beigebracht. Nach insgesamt zwölf Jahren an der Uni, von denen ein Jahr auf den Zivildienst entfiel, war ich schließlich fertig. Ich hatte nicht länger gebraucht als gesetzlich vorgesehen: Die Mindeststudiendauer für das Medizinstudium betrug sechs, die für das Informatikstudium (Bachelor plus Master) fünf Jahre. Das Informatikstudium hatte ich sogar mit Auszeichnung bestanden.

Warum nicht auch das Medizinstudium? Die Antwort ist: Willkür. Während des Studiums habe ich immer Angst gehabt, dass ich bei einem Professor anecken und er sich dann mit seinen Kollegen verbünden könnte, um mir das Leben schwerzumachen. Tatsächlich ging es bei den Prüfungen in diesem Studium nicht so fair und objektiv zu, wie ich das aus der Schulzeit gewohnt war. Wenn ein Kandidat dem Prüfer missfiel, konnte dieser ihm besonders schwierige Fragen stellen. Teilweise dauerte es in den mündlichen Prüfungen nur wenige Sekunden, bis es hieß, der Student sei durchgefallen. Trotz aller Demütigungen hielt ich aber am Studium fest, denn ich hatte mich bei einem Psychologen testen lassen und dieser bei mir einen Intelligenzquotienten von 142 ermittelt. Damit war ich auf jeden Fall für eine Hochschulkarriere qualifiziert, wo der durchschnittliche IQ eines Hochschulmitarbeiters doch zwischen 130 und 140 lag. Dass es aber nicht stimmte, dass besonders intelligente Studierende an der Universität händeringend als Mitarbeiter in der Forschung gesucht wurden, erkannte ich bald: Niemand fragte nach dem IQ, auch der Notendurchschnitt in der Matura war unerheblich. Zumindest für die Unis galt die Mär' vom "Fachkräftemangel" nicht.

Nach dem Studium bewarb ich mich, 29 Jahre jung, bei einem Forschungsinstitut der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, bei dem ich mich bereits während des Studiums vorgestellt und einen guten Eindruck gemacht hatte. Ich musste einige Tage auf die Antwort warten. Diese kam dann via E-Mail: "Ich habe gesehen, dass Sie bereits Ihren 29. Geburtstag gefeiert haben. Leider muss ich Ihnen mitteilen, dass wir normalerweise nur Doktoranden aufnehmen, die höchstens 28 Jahre alt sind." Mag sein, aber diese haben ja nur ein Studium absolviert, ich hingegen zwei! Aber ich vermutetete, dass mein Alter nur ein vorgeschobener Grund war und in Wirklichkeit irgend etwas anderes den Ausschlag für die Ablehnung gegeben hatte. Sodann bewarb ich mich an der Technischen Universität Wien für eine Aufnahme in ihr Doktorandenprogamm, wobei ich meiner Bewerbung sogar Empfehlungsschreiben von drei habilitierten Personen beilegen konnte. Auch diese Bewerbung wurde abgelehnt, diesmal ohne Begründung.

Um wenigstens eine Anstellung mit einem festen Einkommen zu haben, arbeitete ich eine Zeitlang als Turnusarzt und danach als Software-Entwickler. Wie ich dennoch zu Publikationen gekommen bin: Durch einen Verein habe ich den Privatdozenten DDr. Uwe Rohr kennengelernt, der mich sympathisch fand und sich bereit erklärte, mit mir gemeinsam wissenschaftlich zu arbeiten. So habe ich einige Jahre lang neben dem Beruf auch an Aufsätzen über die Schnittmenge von Endokrinologie, Immunologie, Onkologie und Psychiatrie mitgearbeitet. Meine Zuständigkeitsbereiche waren hauptsächlich die Literaturrecherche und die sprachliche Überarbeitung von DDr. Rohrs Gedankengängen. Die Papiere wurden unter anderem in der Fachzeitschrift "Hormone Molecular Biology and Clinical Investigations" veröffentlicht. Als DDr. Rohr schließlich verstarb, war ich wieder auf mich alleine gestellt. Ich verallgemeinerte daraufhin seine Hypothese bezüglich der Umwandlung von Krebszellen in funktionales Gewebe und entwickelte die "Symbiontenkonversionstheorie", deren Umsetzbarkeit ich in einer Abhandlung an Hand einiger Beispiele demonstrierte. Dieser letzte Aufsatz von mir harrt auch heute noch der Veröffentlichung in einem wissenschaftlichen Journal - von denen, denen ich es geschickt habe, ist es abgelehnt worden. Hingegen hat die Redaktion der Zeitschrift Telicom, die von der International Society for Philosophical Enquiry (ISPE) herausgegeben wird, meinen Text freudig aufgenommen, mit der Bemerkung: "It's a very intriguing theory!"

Es gibt auch andere Beispiele von Personen, denen es trotz Enthusiasmus und Begabung nicht gelungen ist, im Hochschulwesen Fuß zu fassen. In diesem Zusammenhang sei auch gesagt, dass ich nach meiner Promotion recherchiert habe, wer alles von meinen Studienkollegen eine Anstellung an der Uni bekommen hat, und festgestellt habe, dass es sich hauptsächlich um Angehörige von Vorfeldorganisationen der ÖVP handelte, die der römisch-katholischen Kirche nahestanden. Dass offenbar Religion bei der Hochschulkarriere eine Rolle spielte, war mir aufgrund meiner familiären Herkunft völlig fremd.

Hatte ich mir von der Uni anfangs erhofft, schon von Beginn meines Studiums an in Forschungsprojekte eingebunden zu werden, zog ich am Ende eine ernüchternde Bilanz. Der Grund, warum mich DDr. Rohr so sympathisch fand, war letzten Endes einfach der, dass er ähnliche Erfahrungen wie ich gemacht hatte. "Normalbegabte wollen ein regelmäßiges Einkommen", pflegte er zu sagen. Sie täten gewisse Dinge nur aus der Motivation, ein Einkommen zu generieren. So käme es dazu, dass sich die medizinisch-pharmazeutische Forschung auf Nischenprodukte beschränke, anstatt die echten Probleme der Menschheit zu lösen. Auch redete er mir die Genetik aus: Seiner Meinung nach handelte es sich bei ihr um eine Sackgasse. Man habe bereits zwei Jahrzehnte auf diesem Gebiet geforscht, ohne zu nutzbaren Anwendungen zu gelangen. Die Endokrinologie habe wesentlich mehr Potenzial und sei bislang sträflich vernachlässigt worden.

Da ich im Laufe des Medizinstudiums wegen Bewegungsmangels stark zugenommen habe, stellt sich die Frage, ob es allein aus gesundheitlichen Gründen nicht besser gewesen wäre, hätte ich nur Informatik studiert. Auf jeden Fall ist das Informatikstudium mit einer realistischen Chance verbunden, gut zu verdienen - und offenbar kommt es im Leben nur darauf an.

Kommentare

Beliebte Posts aus diesem Blog

The Demoscene

Digital Art Natives

Autobiographical Sketch